Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)
vergewaltigten und quälten, hatte ich ja nie gesehen. Und das Pärchen hat ihre 'Kundschaft', oder wie immer man das nennen will, nicht verraten.“
„Wie...?“ Tristan brach ab und fuhr sich durch die Haare, schien dabei zu überlegen, ob er die Frage wirklich stellen sollte. Als Daniel ihm zunickte, sprach er sie dann doch aus. „Wie lange warst du dort, Dan?“
„28 Tage.“
„Was?“ Tristan war entsetzt, alle waren es. „Aber... aber... hat dich denn niemand gesucht? Ich meine, man muss dich doch vermisst haben?“
Daniel zuckte erneut die Schultern, um sich selbst abzulenken und das Ganze auf diese Weise nicht weiter an sich heranzulassen. Er erzählte gerade nur eine Geschichte und mehr durfte es auch nicht werden. Denn 'mehr' würde er genauso wenig verkraften, wie zwei seelische Zusammenbrüche an einem Tag.
„Meine Eltern sind tot und meine Schwester und ich stehen uns nicht sehr nahe. Auf der Arbeit führte man mich ein paar Tage als unentschuldigt, bevor ich dann recht schnell meine Kündigung im Briefkasten hatte. Ich weiß nicht, wie das hier in Maryland ist oder überhaupt in den Vereinigten Staaten, aber in Deutschland fackelt man nicht sehr lange, wenn jemand plötzlich nicht mehr im Büro oder auf der Baustelle auftaucht.“
„Himmel, so was gibt es doch gar nicht“, empörte sich Tristan. „Irgendeiner deiner Kollegen hätte doch wenigstens mal nachfragen können, was mit dir ist, oder?“
„Warum sollten sie? Ich war in meinem Job wegen meines etwas anderen Lebensstils nicht sonderlich beliebt. Am Ende war es meine Nachbarin, die meine Katze vor dem Haus miauen hörte und anfing, sich darüber zu wundern. Sie hat die Polizei gerufen. Das war eine Woche, bevor man mich vor der Klinik fand. Mein Chef hat die Kündigung später wieder zurückgenommen, als er aus der Zeitung erfuhr, was mit mir passiert war. Ich hätte wieder dort anfangen können, aber das habe ich abgelehnt. Ich wollte nur weg. Also brachte ich meine Katze im Tierheim unter, kratzte alles an Geld zusammen was ich auftreiben konnte und verschwand.“
„Dan?“, fragte Connor leise und wartete, bis er ihn ansah. „Du hast mir erzählt, du hättest diesen Pullover geliebt, weil er ein Geschenk deiner Schwester war. Aber gerade hast du gesagt, dass ihr euch nicht sonderlich nahe steht. Wie passt das zusammen?“
Daniel seufzte und konnte nicht verhindern, wie unglücklich er dabei klang. „Ich liebe Mareike, daran wird sich nie etwas ändern, aber sie kam mit meiner Lebensart, wie sie es nennt, genauso wenig klar, wie unsere Eltern oder meine konservativen Arbeitskollegen. Sie hat mich nicht dafür verurteilt oder schief angesehen, aber akzeptieren konnte sie es trotzdem nicht. Mareike zog es vor, die Tatsache, dass ich beide Geschlechter mag, einfach zu ignorieren. Andererseits gab sie sich immer Mühe, mir an meinem Geburtstag etwas Einzigartiges zu schenken. Seit unserer Kindheit hatten wir das so gehalten und sie hörte auch nicht damit auf, als sie die Wahrheit von mir erfuhr. Deswegen bedeutete mir dieser Pullover so viel. Mareike hat ihn nur für mich gestrickt, verstehst du? Er war etwas Besonderes.“
„Trotzdem hast du ihr nicht gesagt, wo du bist“, hielt Connor dagegen. „Obwohl du sie so sehr liebst und vermisst... leugne es nicht, Dan. Ich sehe es dir an. Jeder hier tut es.“
Daniel sah erneut aus dem Fenster. Eine Gruppe junger Männer, vermutlich späte Partygäste auf dem Weg nach Hause, kam die Straße entlang und ihre Kostüme entlockten ihm ein Lächeln. Ein Teufel, ein Vampir und ein Engel – wie Mareike es immer für ihn gewesen war. Aber das gehörte zur Vergangenheit.
„Was hätte ich ihr denn sagen sollen?“, fragte er bitter. „Hi, Rike, ich bin noch am Leben und ich vermisse dich, aber es ist in Ordnung, dass du außer an meinem Geburtstag und Weihnachten keinen Kontakt zu mir willst?“
„Sag ihr die Wahrheit“, forderte Connor und tat damit, was er so unnachahmlich beherrschte, nämlich den Finger tief in die Wunde zu drücken.
Daniel lächelte traurig, bevor er sich vom Fenster abwandte und Richtung Tür ging, wo er seine Jacke vom Garderobenhaken nahm. So einfach war das für ihn leider nicht. „Nicht jeder ist in solchen Dingen so direkt wie du, Connor.“
Für einen Gewaltmarsch durch die Stadt hatte Daniel keine Lust, außerdem tat ihm schon nach den ersten Schritten alles weh. Obwohl es ihm bestimmt dabei geholfen hätte, seinen Frust abzubauen, der sich durch
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