Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
zu einem Lächeln zwingen muss – es wirkt bestimmt gekünstelt. Er kommt strahlend auf mich zu, und ich erhebe mich von meinem Stuhl. Seine Großmutter ist einen Kopf größer als meine beiden Großmütter, und ihre Haut strahlt, auch ohne eine Spur von Make-up. Sie trägt einen mit Vögeln bestickten Pullover, der mich an ein Kleidungsstück von Grandma erinnert. Chris’ Grandpa humpelt hinterher, auf einen Stock gestützt.
Chris küsst mich zur Begrüßung auf beide Wangen. Er lächelt zufrieden. »Ah, das habe ich dir mitgebracht.« Er reicht mir einen Scheck für die gestrige Arbeit, und ich bin beeindruckt, dass er mich sofort bezahlt. Ich stelle mich seinen Großeltern vor, und er tut das Gleiche bei Grandma und Nana. Der Koch hinter der Omelette-Theke zwinkert mir zu. Nachdem alle etwas zu trinken bestellt haben, schwärmen wir zum Buffet aus. Chris und seine Großeltern halten sich an Salat und Suppe, während Grandma und Nana sich am anderen Ende der Tafel über French Toast, Pfannkuchen und Doughnuts hermachen. »Liebes, komm her«, sagt Nana, und als ich ihr helfe, Sirup über die Pfannkuchen zu gießen, spüre ich Chris’ Blick auf meinen nackten Beinen.
Als wir alle am Tisch sitzen, schlägt Chris vor, ein Dankgebet zu sprechen, und er sieht mich dabei an. Grandma und ich schlagen das Kreuzzeichen, und ich spreche ein Tischgebet.
Herr, segne dieses Essen und alle, die daran teilnehmen. Amen.
Dann füge ich hinzu: »Und danke für die Familie und die neuen Freunde, die heute hier sind.« Chris zwinkert mir zu. Gut gemacht.
Seine Großeltern berichten von ihrem letzten Angeltrip, und Chris sagt, er habe Lachs von seinem Großvater zu Hause und würde mir davon etwas abgeben. Nana zieht das Gespräch an sich und erzählt der Runde, was ich für eine großartige Sängerin bin. »Sie hätte zum Broadway gehen können!«
Ich werfe Chris einen verlegenen Blick zu. »Nein, keineswegs«, entgegne ich. »Ich habe auf dem College Theater gespielt, aber das war es dann auch schon.«
»Du bist für zwei Auftritte außerhalb der Schule bezahlt worden!«, fügt Nana hinzu. »Sie ist immer so bescheiden.«
Chris lässt die Gabel sinken. »Was, Chris? Vergeudest du etwa ein von Gott gegebenes Talent?«
Ich werde rot und spüre, wie mir der Schweiß ausbricht. »Nein, nein, da gibt es kein Talent, was zu vergeuden wäre. Und außerdem singe ich nur im Auto.«
»Und unter der Dusche wahrscheinlich«, wirft Chris’ Grandma ein.
»Ja, genau, auch unter der Dusche.«
»Was war das berühmteste Stück, in dem du jemals mitgespielt hast?«, fragt Chris.
»Das mit diesem französischen Künstler …«, sagt Nana. »Du weißt schon … George Sowieso. Er hat die ganze Zeit gearbeitet, bis seine Geliebte ihn verlassen hat, weil es ihr bis hier stand …«
» Sunday in the Park with George «, sage ich.
»Georges Seurat!« Chris ist ganz begeistert. »Ich liebe sein Werk.«
Chris fragt Nana nach ihrer Religion, und ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, als sie in einem dreiminütigen Monolog erklärt, wie wichtig es sei, den Teufel zurückzuweisen. »Und wissen Sie, dass in der Bibel steht …« Gerade als sie einen Vers aus der Schöpfungsgeschichte rezitiert, unterbricht Grandma sie einfach und rettet mich vor dem Wahnsinn, indem sie Chris nach seiner Arbeit fragt. Ich bin beeindruckt, als er seine Antwort auf ein Minimum beschränkt. Anscheinend soll es bei diesem Treffen tatsächlich um unsere Großeltern gehen.
Ich sage zu seiner Großmutter, dass sie sicherlich stolz auf ihren Enkel und seine erfolgreiche Arbeit ist. Sie antwortet, dass die gesamte Familie stolz auf ihn sei, aber dass es schöner wäre, wenn er nicht so weit entfernt wohnen würde. Chris’ Grandpa verwickelt Grandma in ein Gespräch über den Zweiten Weltkrieg, und sie stellen fest, dass er zur gleichen Zeit in Deutschland war wie mein Großvater. Plötzlich hängt Grandma an seinen Lippen und kichert wie ein Schulmädchen über seine Geschichten vom Krieg. »Welchen Rang hatte Ihr Mann, als er die Armee verlassen hat?«, fragt er. Obwohl er schon über achtzig ist, hat er, genau wie Chris, eine perfekte Nase, als habe ein Künstler sie geschaffen.
»Er war Corporal«, sagt Grandma.
»Beeindruckend«, wirft Chris’ Großmutter ein. Grandma schweigt.
»Ja, er war wirklich beeindruckend«, sage ich. »Nicht wahr, Grandma?«
Sie nickt. »Ja.«
Die Kellnerin kommt mit zwei Rechnungen an den Tisch. »Kann ich Ihnen noch etwas
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