Liebe ist staerker als Haß
daß du gut mit dem Messer umgehen kannst«, sagte Liana leise. »Du könntest dich selbst wieder aus der Gefangenschaft befreit haben.«
Zared ging durchs Gemach, nahm einen Brotkanten zur Hand und biß ein Stück ab. »Das Brot schmeckt köstlich. Hoffentlich werde ich nach der Heirat nur eine halb so gute Hausfrau wie du. Das heißt, wenn ich einen Mann finde, oder besser gesagt, wenn Severn einen für mich findet. Ich bin sicher, er wird mir einen guten Gatten auswählen.«
»Nun gut, dann bewahre nur deine Geheimnisse!« sagte Liana. Sie hatte lange genug mit den Peregrines zusammengelebt, um zu wissen, daß sie ihr Inneres nur preisgaben, wenn es unbedingt nötig war. Mit einem Seufzer der Resignation fuhr sie fort: »Severn wird bestimmt den Mann für dich wählen, der euch am besten im Kampf gegen die Howards helfen kann. Einen Mann mit jahrelanger Kriegserfahrung.« Sie sah Zared an. »Was du brauchst, ist mehr Liebe und weniger Krieg.«
»Liebe?« sagte Zared verächtlich. »Ich habe meine Brüder, ich habe Gott. Mehr Liebe brauche ich nicht.«
Liana betrachtete ihre hübsche Schwägerin. Sie war sicher, daß auch Zared sich eines Tages verlieben würde. Wenn sie auch sonst nichts über die Peregrines wußte, so wußte sie doch, daß es Menschen voller Leidenschaft waren. Sie haßten leidenschaftlich, sie kämpften leidenschaftlich, und sie liebten leidenschaftlich. Zared schien der Meinung zu sein, es käme nicht darauf an, wen sie heiraten würde. Aber wäre sie an einen Mann gebunden, dem sie keine Verehrung entgegenbrachte, oder noch schlimmer: einen, den sie verachtete, dann würde sie ihn so hassen, daß der Mann, wenn er nur einigermaßen Verstand besaß, um sein Leben fürchten mußte.
Liana brauchte nur zu Rogan zu gehen und ihm sagen, daß Zared nicht zum Turnier mitreiten dürfe, und Rogan würde es ihr verbieten. Aber irgend etwas hielt Liana davon ab. Zwar würde Zared zu Hause sicherer sein, aber was wäre, wenn Zareds Leidenschaft gänzlich in Haß umschlüge: noch glühenderen Haß auf die Howards, die sie daran hinderten, ihr Heim zu verlassen, das ihr zum Gefängnis geworden war? Und schließlich würde sich ihr Haß auch gegen Liana wenden.
Leise fragte sie: »Du würdest dich immer bei Severn aufhalten?« Und dachte: Werde ich Zared je Wiedersehen?
»Ja, o ja«, versprach Zared, und ihre Miene war freudig erregt.
»Wie sehr ich wünschte, euch begleiten zu können! Ich würde für dich Gewänder in Grün und Blau in Auftrag geben. Du könntest recht hübsch aussehen, wenn deine Haare nicht immer so zerzaust wären. O Zared, ein Turnier ist herrlich. Du schenkst einem Mann deine Gunst, und er ...«
»Ich würde lieber mitkämpfen«, sagte Zared. »Ich würde lieber ein Pferd besteigen, die Lanze führen und einen Mann aus dem Sattel stoßen. Nur dazusitzen und zuzuschauen würde mir kein Vergnügen bereiten.«
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Liana legte die Hände auf ihren geschwollenen Unterleib. Sie erwartete demnächst ihr zweites Kind. Deshalb konnte sie nicht mitreiten. Vielleicht war es auch besser, wenn sie nicht mit ansehen mußte, wie die Schwester ihres Gatten den Schildknappen spielte, Ställe ausmistete, Pferde striegelte und zwischen den Kämpfenden umherlief, um frische Lanzen zu bringen.
Sie stand auf. »Ich halte es nicht für sehr gut, aber vielleicht ist für deine Sicherheit nichts zu fürchten. Vielleicht hat Severn recht, und Oliver Howard wird es nicht wagen, euch in Anwesenheit des Königs zu überfallen. Ich werde Severn sagen, daß er nicht länger nach einem Knappen zu suchen braucht.« Damit ging sie zur Tür.
»Liana«, sagte Zared, » du kennst doch Oliver Howard. Wie war er? Ist er ein großer Kämpfer?«
Liana lächelte. »Ganz und gar nicht. Er ist viel älter als deine Brüder, und er ist fett geworden. Aber er braucht ja auch nicht zu kämpfen, denn er ist sehr reich und kann so viele Männer in Dienst stellen, wie er braucht.«
»Und sein Bruder?«
»Bruder? Ich habe nie etwas von einem Bruder gehört. Allerdings kenne ich die Howards nicht so gut, wie deine Familie sie kennt. Zared, was weißt du von einem Bruder?«
»Nichts. Gar nichts. Es ist nur so, daß ...« Sie blickte Liana an. »Ich habe noch nicht viel von der Welt gesehen. Eigentlich kenne ich nur meine Brüder. Sie sind so stattliche Männer.« Sie lächelte voller Stolz. »Sie sind stark, und sie sehen gut aus. Niemand könnte sie auf dem Schlachtfeld bezwingen. Sind solche
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