Liebe ist staerker als Haß
mußte sich vor ihr hinknien, und dann begoß sie ihn eimerweise mit Wasser. Dabei klopfte ihr das Herz im Hals, so nahe war er ihr.
Dann stand er auf. »Ich danke dir«, sagte er und ging ans Ufer, um sich abzutrocknen.
Zared aber blieb mitten im Bach stehen und sah ihm zu. Gab es noch irgendeinen Mann auf der Welt, der so herrlich aussah wie er? An den muskulösen Unterarmen glitzerten goldene Härchen.
»Willst du die ganze Nacht im Wasser rumstehen?« fragte Colbrand lächelnd.
»Ach nein.« Sie stieg aus dem Bach, ohne zu merken, daß ihre Füße steif vor Kälte geworden waren. Auch als Colbrand sich anzog, schaute sie ihm wie gebannt zu. Schließlich brachte sie eine Frage über die Lippen: »Wollt Ihr... wollt Ihr jemand besuchen?« Und dachte: Ich werde ihr die Augen auskratzen.
»Ja, Lady Anne«, antwortete Colbrand. »Ihr Vater lud mich ein, mit ihm über die morgigen Spiele zu sprechen, und ich nehme an, Lady Anne wird dabei sein.«
»Sie ist schön«, sagte Zared in resigniertem Ton.
»Und reich«, erwiderte er lachend. »Aber jetzt muß ich gehen. Wenn du meinen Knappen triffst, sag ihm, er soll heute nacht ein bißchen schlafen! Morgen früh muß er frisch sein.«
Sie sah ihm lange nach. Dann setzte sie sich an das kalte Ufer und schaute ins Wasser. Wie sollte sie je Colbrand bekommen, wenn ihre Rivalin Lady Anne war? Sie hatte weder mehr Schönheit noch mehr Geld oder irgend etwas anderes in reicherem Maße als Lady Anne zu bieten. »Außer daß ich vielleicht ein sanfteres Gemüt habe«, sagte sie laut, denn ihr war wieder Severns Begegnung mit der Frau eingefallen.
So saß sie lange Zeit, tief in Gedanken versunken, und hörte nicht, daß ein Mann sich von hinten näherte.
»Ich habe dich gesucht«, sagte Tearle.
Zared war so elend zumute, daß sie ihn nicht mal verfluchen konnte. Sie schaute nur weiter in den Bach.
Tearle hatte sich ebenfalls auf dem Turniergelände zu zerstreuen versucht. Aber im Gegensatz zu Zared hatte er in Frankreich so viele ähnliche Veranstaltungen miterlebt, daß er hier wenig fand, was ihn fesseln konnte. Einige Frauen hatten ein Auge auf ihn geworfen, aber er hatte sie keines Blickes gewürdigt. Offenbar war Zared eine Herausforderung für ihn. Nach etwa einer Stunde hatte er angefangen, sie zu suchen. Als er sie nicht fand, wurde er unruhig.
Schließlich traf er Colbrand. Er überwand seinen Stolz und fragte ihn, ob er den jungen Peregrine gesehen habe. Colbrand sagte, Zared habe ihm beim Baden geholfen. Wut flammte in Tearle auf. Danach hatte er nicht mehr lange gebraucht, um sie zu finden.
Er wollte sie streng zurechtweisen, wollte ihr wiederum sagen, daß sie sich nur lächerlich mache. Aber als er ihre Miene sah, konnte er es nicht mehr. Er setzte sich neben sie.
»Es ist Zeit, ins Bett zu gehen«, sagte er. »Dein Bruder wird morgen früh in die Schranke treten.«
Zared sah weiter ins Wasser. »Ich werde da sein.«
»Was quält dich so?« fragte er leise.
Mit funkelnden Augen sah sie ihn an. »Du!« sagte sie schneidend. »Wieso weißt du, daß ich eine Frau bin, und alle anderen merken es nicht?«
»Das weiß ich nicht. Wenn du Colbrand meinst - er kann es nicht merken, weil er zu dumm ist. Er ist wie ein Tier, ein geschickter Kämpfer, hat aber nichts im Kopf.«
»Warum haßt du ihn so? Weil er Männertaten vollbringt, zu denen du nicht fähig bist? Bist du auf alle Männer eifersüchtig, die Männer sind?«
Sie wollte aufstehen, aber er packte sie am Arm und zwang sie, sich wieder zu setzen.
»Was, meinst du denn, zeichnet einen Mann aus? Seine Kampfkraft? Du hast Colbrand überhaupt noch nicht im Kampf gesehen, und doch fielst du vor ihm in Ohnmacht. Ohne ihn je im Kampf gesehen zu haben! Woher weißt du, daß er ein richtiger Mann ist? Du gehst zu ihm in den Bach, wäschst ihm mit deinen Händen den nackten Körper, und er merkt immer noch nicht, daß es eine Frau ist, der diese Hände gehören - eine Frau, die nach ihm verlangt. Ist es Dummheit, die für dich einen Mann ausmacht?«
»Du bist ja eifersüchtig«, sagte sie verwundert. »Du bist eifersüchtig auf Colbrand. Warum? Weil er alle Frauen haben kann, und du keine?«
»Keine?« Er sah sie eindringlich an. Dann richtete er sich zu voller Größe auf. »Kannst du nicht mal zur Abwechslung mich ansehen? Kannst du nicht einmal für kurze Zeit vergessen, daß ich ein Howard bin, und mich richtig ansehen?«
Sie schaute hoch. Es nutzte nichts. Er hatte es richtig erraten. Sie konnte
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