Liebe ist staerker als Haß
Geheimnisse für sich behalten. Jetzt konnte sie sie nicht mehr aufdecken. Ihr einziger Trost bestand darin, sich vorzustellen, wie sie Severn die Wahrheit sagen würde, sobald sie heimkamen. Hoffentlich würde ihr Bruder dann wenigstens so höflich sein, sich zu entschuldigen.
Aber im Augenblick blieb ihr nichts anderes übrig, als die Fäuste in die Hüften zu stemmen und wiederum zu beteuern, daß sie keine Ahnung habe, wo »Smith« steckte.
Bei ihrer Ankunft auf dem Turnierplatz ging es dann mit den üblen Streichen los. Als Severn den Helm aufsetzte, entdeckte er, daß er innen mit Schlamm gefüllt war. Beim ersten Turniergang zerbrach ihm die Lanze in der Hand, noch ehe er seinen Gegner damit getroffen hatte. Dann ließ jemand Bienen aus ihrem Stock. Während die Zuschauer sie, mit den Armen fuchtelnd, verjagten, ließen sich die meisten Bienen auf Severn nieder, denn seine Rüstung war teilweise mit Honig beschmiert. Als die Fahne der Peregrines entrollt wurde, erschien nicht der weiße Falke auf rotem Grund, sondern das Bild eines Satyrs, der hinter einem jungen Mädchen herjagt - und der Satyr hatte eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Severn.
Bei jedem dieser zwar harmlosen, aber gemeinen kleinen Streiche lachte die Menge laut, und das Gelächter wurde immer lauter, bis gegen Mittag schon losgelacht wurde, sowie sich nur ein Peregrine blicken ließ.
Zared schaute zu den Tribünen hinüber und sah, daß auch Lady Anne und ihr Vater lachten und sich gegenseitig auf die Peregrines aufmerksam machten. Deshalb war sie froh, daß der König schon abgereist war. Aber er würde bestimmt noch erfahren, wie der Ritter Peregrine vor aller Welt lächerlich gemacht worden war.
Severn gab inzwischen einem seiner Männer den Auftrag, ständig über seine Rüstung zu wachen, damit kein weiterer Unfug damit getrieben wurde. Zared mußte andere Ritter um Lanzen bitten, denn die von Severn waren während der Nacht sämtlich angesägt worden. Colbrand schickte seinen grinsenden Knappen mit einem Armvoll frischer Lanzen, und Zared mußte sich zwingen, dem Jüngling dafür Dank zu sagen.
Severn wahrte bei alldem die Ruhe. Er sagte auch kein Wort, als Zared ihm das Gesicht und den Helm abwusch. Aber er beugte sich dabei nicht zu ihr herab. Sie mußte vielmehr auf ein kleines Faß klettern, um an ihn heranzureichen. Das zeigte ihr, wie wütend er innerlich war. Er sagte auch nichts, als sie den Honig von der Rüstung bürstete. Und er blieb stumm, als sie hastig die Fahne einrollte, die eigentlich den stolzen Peregrine-Falken zeigen sollte.
Bei jeder neuen Überraschung, welche die Menge zum Lachen brachte,kam Zared immer mehr zu der Überzeugung, daß der Howard hinter diesen Streichen steckte. Das paßt zu ihm, dachte sie. Er hatte ja auch kaum etwas anderes zu tun gehabt, als sie auszulachen. Und jetzt schaffte er es, daß alle ihren Bruder auslachten.
Und dieses Gelächter, dachte sie zornig, wird dazu führen, daß Lady Anne nicht die Gattin eines Peregrines werden würde. Sie bezweifelte, daß ein altes
Schlachtroß wie Hugh Marshall seiner Tochter gestatten würde, einen Mann zu heiraten, der zur Zielscheibe solcher Streiche geworden war.
»Jetzt hat er, was er wollte«, murmelte sie. Severn holte gerade wieder einen Gegner aus dem Sattel. Es sah ganz danach aus, daß es dem Howard gelingen würde, die Peregrines nicht in den Besitz des Geldes der Marshalls kommen zu lassen, mit dessen Hilfe sie ihre Ländereien zurückerobern könnten.
Ob er wohl selber die schöne Lady Anne heiraten wird? fragte sie sich. Und ihr fiel ein, daß sie gesehen hatte, wie er sie küßte. Was hätte er wohl getan, wenn Zared seinen Heiratsantrag angenommen hätte? Hätte er auch diese Gelegenheit benutzt, sich über die Peregrines lustig zu machen? Hätte er sich dann zusammen mit seinem dicken, alten Bruder darüber amüsiert, daß die jüngste Peregrine bereit gewesen war, sich mit ihm zu vermählen?
»Wenigstens dieses Vergnügen werde ich ihm nicht erlauben«, sagte Zared leise vor sich hin.
In der Mittagspause ging Severn nicht zum Essen aufs Schloß, und er gestattete es auch Zared nicht. Allerdings wäre sie sowieso nicht gegangen, denn sie konnte es nicht mehr ertragen, ausgelacht zu werden. Severn schickte einen seiner Männer zum Essenholen. Danach hockten er und Zared sich allein auf die Schemel vor dem Zelt und verzehrten stumm ihre Mahlzeit.
Nur einmal fragte Zared ihn, wen er für den Urheber der bösen Streiche
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