Liebe ist staerker als Haß
schützen.
»Und das bedeutet, daß ich mich nie mehr von ihm küssen lasse.« Nein, dachte sie, dazu darf es nicht mehr kommen. Sie würde ihm nicht wie irgendein Bauernmädchen verfallen. Das Kinn vorgereckt, sagte sie laut: »Wenn er mich noch einmal anrührt, gebe ich ihm mein Messer zu schmecken.«
Als Stunden später ihr Bruder und ihr Feind heimkehrten, lag sie mit fest geschlossenen Augen im Bett. So wie die beiden lachten und schwankten, mußten sie zusammen ein halbes Faß Bier geleert haben.
»Psst!« sagte Severn laut, »wir dürfen meine kleine Schwester nicht aufwecken.«
»Dann bringe ich sie einfach wieder ins Bett«, erwiderte Tearle noch lauter, und beide wollten sich vor Lachen ausschütten.
Zared schlug mit der Faust aufs Kopfkissen und drehte sich auf die Seite. Unmut und Ärger ließen sie nicht schlafen - und wenn es das nicht gewesen wäre, dann hätte das betrunkene Schnarchen ihres Bruders und dieses Mannes sie wachgehalten.
Und doch war sie gerade beim Einschlafen, als sie hörte, wie der Howard ganz leise aufstand und aus dem Zelt schlich. Sie schaute zu Severn hinüber und sah, daß er noch schlief. Da stand Zared auf, schlüpfte in ihren Waffenrock und folgte dem Mann.
Severn war in dem Augenblick erwacht, als der Mann den Fuß auf den Boden setzte, blieb aber liegen und beobachtete heimlich, wie er sein Schwert nahm und hinausging. Obwohl Severn den Mann mochte, war er stets auf der Hut vor ihm. Außerdem hatte Zareds beständige Feindseligkeit ihn mißtrauischer gegen Smith gemacht, als er es sonst gewesen wäre.
Er hatte sich mit Smith zusammen betrunken -oder vielmehr hatte Severn sich betrunken gestellt. Er hatte gehofft, Smith Geheimnisse entlocken zu können, zu erfahren, wie es kam, daß er etwas von Waffen verstand, aber selber nicht kämpfte, und wo Liana ihn aufgetrieben hatte. Aber Severn hatte nichts aus dem Mann herausgekriegt. Der verstand es sehr gut, Fragen auszuweichen und nichts über sich preiszugeben.
Als Severn seine kleine Schwester hinter dem Mann aus dem Zelt schlüpfen sah, war er beruhigt. Er war froh, daß Smith sie gern hatte, und konnte Smith vertrauen, daß er sie beschützen würde, so wie er es getan hatte, als sie von dem Pferd beinahe niedergetrampelt worden wäre. Er ließ sich wieder ins Bett fallen und schlief weiter.
Zared folgte Tearle. Er mischte sich unter die Menschen, die noch unterwegs waren. Sie beobachtete, wie er an dunklen Stellen verschwand und wieder zum Vorschein kam. Es war deutlich zu erkennen, daß er nicht gesehen werden wollte. Zweimal mußte Zared selbst rasch ins Dunkel schlüpfen, um nicht bemerkt zu werden.
Nach manchem Hin und Her ging er durch eine Tür in der Steinmauer, die das Schloß der Marshalls umgab. Hier konnte ihm Zared nicht weiter ungesehen folgen. Sie mußte eine ganze Weile suchen, ehe sie einen Baum fand, von dem aus sie über die Mauer blicken konnte. Und sie mußte vorsichtig hinaufklettern, damit man es nicht hörte. Als sie schließlich hoch genug geklettert war, sah sie etwas, das ihr den Mund offenstehen ließ.
Der Howard hatte Lady Anne umarmt! Dann wirbelte er sie herum, daß ihr hübscher Rock sich bauschte. Schließlich setzte er sie ab und küßte sie fest auf beide Wangen.
Mehr wollte Zared nicht sehen. Sie kletterte schnell vom Baum herunter und strebte wieder ihrem Zelt zu.
Eine Zeitlang konnte Zared keinen klaren Gedanken fassen. Jetzt war sie dahintergekommen, warum der Howard sich in das Leben der Peregrines eingemischt hatte. Er wollte verhindern, daß ein Peregrine in die reiche Familie Marshall einheiratete! Er wollte sicherstellen, daß die Peregrines nie so reich wurden, um die Festung der Howards einnehmen zu können.
Sie ging wieder zu Bett, konnte aber nicht mehr einschlafen. Als der Howard schließlich zurückkam, wurde ihr Körper starr, und so lag sie die ganze Nacht fast bis zum Morgengrauen wach.
Am nächsten Vormittag passierte zweierlei: Erstens wurden üble Streiche verübt, und zweitens verschwand der Howard.
Severn verschlief, und als er endlich aufwachte, schlief Zared noch, und das andere Bett war leer. Er war ärgerlich auf Zared und beschuldigte sie, etwas getan zu haben, was Smith verstimmt habe. Severn sagte, er brauche Smith, damit der ihn bei den Kämpfen dieses Tages berate, und er sei sicher, daß Zared etwas angestellt habe, was Smith zum Weggehen veranlaßte.
Zared hatte keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Zu lange hatte sie zu viele
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