Liebe ist staerker als Haß
sie wieder gnädig zu stimmen. Er scherzte mit ihr, überreichte ihr einen Blumenstrauß, sagte ihr, wie hübsch sie sei und daß ihre Augen heller funkelten als Edelsteine. Sie erwiderte, daß das Unsinn sei, konnte sich aber eines Lächelns nicht erwehren. Er war ein Mann, mit dem man leicht umgehen konnte.
Am nächsten Tag ritt er mit ihr zum Jahrmarkt in einer zehn Meilen entfernten Stadt. Zared war noch nie auf einem Jahrmarkt gewesen, denn daheim hatte man sie nicht einmal aus der Burg hinausgelassen.
Außerdem machten sich ihre Brüder nichts aus solchen Vergnügungen.
Für sie war der Jahrmarkt ein Wunderland. Beim Turnier hatte sie keine Gelegenheit gehabt, sich zu amüsieren. Da hatte sie zwischen Bruder und Feind ständig unter Streß gestanden. Hier auf dem Jahrmarkt ging es ganz anders zu. Jedenfalls kam es ihr so vor, wenn es in Wirklichkeit auch das gleiche war. Noch immer war der Feind ihrer Familie in ihrer Nähe. Doch wenn sie ihn auf seinem großen Pferd reiten sah, konnte sie ihn sich kaum noch als Feind vorstellen. Im übrigen tendierte sie bereits zu der Meinung, daß er genauso groß und stark wie ihre Brüder sei und genauso gut aussehe.
Der Tag auf dem Jahrmarkt verlief wunderbar. Die Händler waren samt und sonders hocherfreut, den Lord und seine hübsche Lady bei sich zu haben. Auch dies ein gewaltiger Unterschied zum Turnier, wo man spöttisch hinter ihr hergelacht hatte, weil sie zu diesen schmutzigen Peregrines zählte.
Tearle kaufte für sie, was es zu sehen gab. Sie war in einem Haushalt aufgewachsen, in dem jeder Penny dreimal umgedreht wurde, bevor man ihn ausgab. Da war es himmlisch, sich nun viele hübsche Dinge leisten zu können. Sie aß von allem, was angeboten wurde, bis Tearle sie vor Magenschmerzen warnte. Als ihr der Saft von einem halben Dutzend Kirschen über das Kinn rannte, beugte er sich über sie und leckte ihr das süße Naß vom Gesicht. Sie wurde rot bis zu den Zehenspitzen, aber er lachte nur.
Ihr Blick fiel auf einen prächtig gewachsenen Ringkämpfer, der prahlerisch verkündete, er würde jeden Herausforderer besiegen. Tearle bemerkte ihren Blick. Sofort entblößte er seinen Oberkörper und stellte sich zum Kampf. Zared platzte fast vor Stolz, als ihr Mann gewann. Und den Siegespreis, eine häßliche Schleife aus billigen Bändern, drückte sie an sich, als wäre er ein diamantenbesetztes Schmuckstück, das er auf einem Turnier gewonnen hätte.
Viel lachen mußte sie über ein Puppenspiel. Die Hände auf ihre Schultern gelegt, stand Tearle hinter ihr. Plötzlich brach zwischen einem halben Dutzend Männern, die zuviel Wein getrunken hatten, ein Handgemenge aus. Tearle nahm Zared in die Arme und trug sie sicher aus der Gefahrenzone.
An einem Stand verkaufte ein Mann Stoffe aus Italien. Zared schaute voller Verlangen auf einen Stoffballen aus dunkelgrünem Brokat. Tearle forderte den Mann auf, ihnen den Stoff vorzuführen. Doch er erwies sich als unglaublich teuer, und Zared sagte dem Händler, er solle ihn wieder wegpacken. Aber Tearle kaufte ihr den ganzen Ballen und sagte: »Daraus kannst du Bettvorhänge machen.«
Eine innere Stimme sagte ihr, sie dürfe nie vergessen, daß das Geld, das er hier so freigiebig ausgab, eigentlich ihrer Familie gehörte und nicht ihm. Aber all das schien weit entfernt zu sein.
Er stand neben ihr bei einem Artisten, der über ein straff zwischen zwei Pfählen gespanntes Seil tänzelte. Sie wagte kaum hinzusehen und hielt sich die Augen zu. Tearle prahlte: »So schwer ist das gar nicht. Das könnte ich auch.«
»Das könntest du nicht«, erwiderte sie. Da ging er schnurrstracks auf den Mann zu, aber sie ergriff rasch seine Hand und bat ihn, es nicht zu versuchen. Es war eine Sache, sich mit einem Ringkämpfer zu messen, aber etwas ganz anderes war es, auf einem dünnen Seil mehr als drei Meter über der Erde zu tanzen. Er konnte dabei zu Tode stürzen.
Doch er war fest entschlossen, es zu versuchen, und sie mußte ihn wieder und wieder anflehen, es zu unterlassen. Um ihn von dem Wagnis abzuhalten, sah sie sich schließlich gezwungen, ihm zu sagen, daß sie ihm glaube, er könne über das Seil gehen, und deshalb brauche er es ihr nicht zu beweisen, und er sei überhaupt der beste und tapferste Ritter im ganzen Königreich. Da wollte er von ihr wissen, ob sie ihn für stärker halte als Severn, und sie sagte ja. Dann fragte er, ob sie glaube, daß er auch Rogan besiegen könne, und sie versicherte ihm, das sei gewiß.
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