Liebe kann man nicht planen, Casanova
Lesen mitnehmen sollen“, seufzte Ruby nach einigen Minuten.
Damon zog sein Smartphone aus der Tasche und streckte es ihr entgegen. „Such dir was aus.“
Neugierig machte sich Ruby auf die Suche nach interessantem Lesestoff. „Du hast gar nichts Romantisches“, stellte sie kurz darauf fest und gab ihm enttäuscht sein Gerät zurück. „Warum fahren wir nach Kowloon?“
„Um an einen Internetanschluss zu gelangen. An einen, den man nicht mit uns in Verbindung bringen kann.“
„Deshalb also ein Fast-Food-Restaurant?“
„Nun, die meisten Ketten verfügen zwar über öffentliche Internetzugänge. Aber für unsere Zwecke ist das ungeeignet. Zu viel Publikum. Zu wenig Privatsphäre.“
„Warum willst du denn dann hin?“
Damon grinste. „Ganz einfach, weil ich den Kaffee dort mag!“ Er merkte, wie sehr er sie verwirrte, und fügte hinzu: „Ich will mich in Kowloon nach einigen wichtigen Dingen umsehen: nach einem Luxushotel, nach einer ganz bescheidenen Absteige – und eben zuerst nach Koffein.“
„Und dann?“
„Dann machen wir uns an die Arbeit.“
Fünf Minuten später hatte Damon sein erstes Ziel erreicht. Sie tranken Kaffee bei einer Fast-Food-Kette – und Ruby musste zugeben, dass er lecker war. Damon bearbeitete pausenlos sein Smartphone, und er war damit nicht der Einzige. Überall an den kleinen Tischchen saßen junge Menschen und konzentrierten sich auf die Bildschirme ihrer Netbooks und Handys.
„Fertig?“ Damon schien es zumindest zu sein. „Nimm deinen Kaffee mit, wir müssen uns jetzt ein Zimmer suchen.“
Gesagt, getan. Damon lotste Ruby in eine etwas heruntergekommene Nebenstraße. Dort hielt er vor einem schmuddelig aussehenden Hochhaus an. Im Erdgeschoss befand sich eine Bar, darüber ein Hotel, und die obersten Stockwerke schienen, der Leuchtreklame nach, als Bordell zu dienen.
„Das ist aber nicht gerade ein Fünfsternetempel hier …“, moserte Ruby.
„Ein Zimmer für eine Nacht, bitte. Keinen Zimmerservice, keine sonstigen Leistungen“, wandte Damon sich knapp an den kahlköpfigen Mann hinter dem Tresen.
Wortlos nahm dieser die ihm entgegengestreckten Hongkong-Dollars in Empfang und reichte Damon im Gegenzug eine Magnetkarte für die Zimmertür.
„Bitte sag mir, dass wir hier nicht übernachten müssen!“, flehte Ruby, als sie den engen dunklen Flur entlanggingen. Es roch nach Schweiß und alter Luft, und der Teppichboden zu ihren Füßen musste locker seine zwanzig Jahre auf dem Buckel haben.
„Wir müssen hier nicht übernachten.“
Endlich mal eine gute Nachricht für Ruby. Unschlüssig stand sie Sekunden später inmitten des ungepflegten Zimmers, das Damon für sie angemietet hatte. Sie betrachtete ihn, wie er sein Netbook aus seinem Rucksack zog. Er stellte das Gerät auf den Nachttisch an der Fensterseite und begann zu arbeiten.
„Setz dich bitte hin, Ruby“, bat er, ohne vom Bildschirm aufzusehen.
„Darf ich nicht ein bisschen herumlaufen?“
„Nein, das stört mich!“
Also zog Ruby einen Stuhl ans Fenster – das Bett als Sitzgelegenheit schien ihr keine Option zu sein – und nahm darauf Platz. Damon ließ in der Zwischenzeit seine langen schlanken Finger über die kleine Tastatur sausen. Er fand irgendwie einen Internetzugang, ohne dort als Benutzer erkannt zu werden.
„Woher weißt du … echt unglaublich .“ Ruby konnte über das, was sie nun auf dem Bildschirm sah, nur staunen: Damon hatte sich beim FBI eingehackt und suchte dort nach nützlichen Informationen. Blitzschnell flogen seine Finger über die Tastatur, immer neue Fenster öffneten sich, und die zuerst noch verschlüsselt erscheinenden Texte verwandelten sich im Nu in lesbare Schrift.
„Ganz ruhig, Ruby, entspann dich.“ Damon merkte ihr ihre Nervosität scheinbar an. „Das Hacken unterliegt einem ganz bestimmten Rhythmus. Du suchst dir die Informationen, die du brauchst, und überlistest dabei ein System, das wiederum von einem anderen System abhängt. Für manche reicht es, ihr Ziel zu erreichen, ohne aufzufliegen. Andere suchen noch größere Herausforderungen. Sie wollen zerstören oder manipulieren. Für manche ist es einfach nur ein Spiel. Es geht ihnen um Wissen und Macht. In jedem Fall aber ist es ein gefährlicher Berufszweig. Und, Ruby, ich brauche hier dein absolutes Stillschweigen!“
„Das hast du, glaub mir.“
„Das reicht mir noch nicht.“
Plötzlich erschien auf dem Bildschirm eine Download-Option: Sie mussten sich entscheiden, ob die
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