Liebe kommt auf sanften Pfoten
verzweifelten Lügner mit Verachtung strafen, dachte sie. Dabei ging es gar nicht darum, eine Lüge zu erzählen. Vielmehr war es so, dass ihr Verstand einfach nicht die Person sein wollte, die gleich allein hier stehen würde, nachdem sie alles zugegeben hatte.
»Ich bin nicht …« Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Louise wusste, dass sie Peter durch ihre Reaktion bereits eine Antwort gegeben hatte; was er nun von ihr hören wollte, war, dass sie alles leugnete.
Eine Frau ging hinter ihnen vorbei und warf Louise einen neugierigen Blick zu.
Ich will meine Ehe retten, dachte Louise plötzlich mit absoluter Klarheit. Wenn ich wirklich wollte, dass Schluss wäre, würde ich einfach alles zugeben und dann gehen. Es ist ein gutes Zeichen, dass ich am liebsten lügen würde. Aber wenn ich jetzt nicht die Wahrheit sage, dann ist es ohnehin vorbei.
»Ja«, fuhr sie leise fort, »das bin ich.«
»Verzeih mir bitte die Frage, aber wer ist der Kerl neben dir?« Peter klang absolut ruhig und beherrscht. »Oder ist das eine alte Aufnahme?«
Louise war klar, dass er ihr die Möglichkeit eröffnete, sich herauszureden, aber sie beide wussten nur allzu gut, dass dieses Bild unmöglich mehr als acht Jahre alt war.
»Nein«, erwiderte sie und nahm all ihren Mut zusammen, »das ist kein altes Bild. Der Mann heißt Michael Ogilvy. Er ist Mitglied im NCT-Elternverein.«
»Und seid ihr …«
Die Frage stand unausgesprochen im Raum.
»Wir unterhalten uns nur«, erklärte Louise.
Peter erwiderte nichts, sondern starrte schweigend auf das Bild. Louise konnte den Blick nicht von ihm abwenden, obwohl es ihr das Herz brach und sie das Gefühl hatte, als würde heißer Teer durch ihre Adern gejagt, der alles zerstörte.
Es war gar nicht einmal der angedeutete Kuss, der alles offenbarte; vielmehr war es die vertraute Art, wie er seinen Arm um sie gelegt und sie den Kopf ihm zugeneigt hatte. Diese hungrige Nähe, die aus ihrer eigenen Beziehung verschwunden war.
»Das bist du nicht, Louise«, erklärte Peter vollkommen ruhig, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Memorial Hall.
Louise lauschte seinen Schritten, die auf dem Boden wie Pistolenschüsse klangen. Dabei hatte sie noch Angelica, ihre Tanzlehrerin, im Ohr, die stampfend die Schritte für ihren Hochzeitstanz vormachte. Mit einem Mal verspürte Louise einen fast schon kindischen Zwang, die Uhr zurückdrehen zu wollen, damit all dies nicht passierte und sie noch einmal von vorn anfangen konnte, dieses Mal aber richtig.
»Peter!« Sie wirbelte herum, doch Peter war schon am Ausgang angelangt. Dann war er fort, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Die anderen Besucher in der Ausstellung konnten ihre neugierigen Blicke nicht verbergen, als sie stocksteif dastand, die Wärme fort und die fröhliche, von den Drinks ausgelöste Übermütigkeit mit einem Schlag verflogen war.
Louise hatte das Gefühl, als ob ihr nie wieder warm werden würde.
Juliet stellte ihre Tasse mit frisch gekochtem Tee auf dem Fensterbrett ab und machte es sich in ihrem roten Ohrensessel gemütlich. Minton rollte sich auf ihrem Schoß zusammen, und Coco ließ sich in ihrem Korb unter dem Fenster nieder. Juliet beobachtete die beiden Hunde – von denen einer schon schnarchte und es bei dem anderen auch nicht mehr lange dauern würde – und beschloss, dass sie die Trauerstunde nicht mehr brauchte.
»Von jetzt an haben wir einen eigenen Stundenplan, nach dem wir Daddy vermissen«, erklärte sie Minton und kraulte mit beiden Händen seine samtigen Ohren. »Welche Sendung sollen wir uns jetzt im Fernsehen anschauen?«
Dies war der erste Abend in dieser Woche, an dem sie wirklich Zeit hatte, ausgiebig fernzusehen. Neulich Abend hatte sie nebenan einen Notfalleinsatz als Babysitterin gehabt, als Lorcan länger arbeiten und Emer Sal zu einer Bowlingparty fahren musste. Am Dienstag dann hatte sich das Anstreichen des Wohnzimmers nach der Arbeit mit Pizza und Guinness bis Mitternacht ausgedehnt. Diane hatte sie am Mittwoch zum Spendensammeln für die Hunde-Auffangstation mitgeschleppt, wobei sie dann endlich die Namen von drei beschämend vertrauten Gassigängern kennengelernt und die plumpen Versuche ihrer Mutter abgewendet hatte, sie einem »netten jungen Mann« namens Dennis vorzustellen, der – wie es der Zufall so wollte – gerade einen Border Terrier adoptiert hatte.
Vielleicht hieß aber auch der Border Terrier Dennis. Juliet hatte immer noch nicht den Dreh heraus, um zuerst die Namen der Herrchen
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