Liebe kommt auf sanften Pfoten
muss nicht sein«, erwiderte sie.
Als sie die Memorial Hall betraten, gingen dort gerade mehrere andere Paare durch die Ausstellung und bewunderten die großen, gerahmten Schwarz-Weiß-Bilder an den Wänden.
Louise nahm sich einen Faltzettel, auf dem nicht nur die Biografie des Künstlers aufgelistet war, sondern sich auch weitere Informationen darüber befanden, wo die verschiedenen Landschaften aufgenommen worden waren. Es wäre vielleicht ganz nett, ein Bild für Mum und Dad zu kaufen – demnächst stand ihre Rubinhochzeit an, und sie wohnten ihr Leben lang in Longhampton, überlegte Louise.
Ihr kam zudem in den Sinn, dass dies die Ausstellung sein musste, die Juliet mit Michael besucht hatte – denn in Longhampton gab es nie und nimmer zwei Fotoausstellungen zur gleichen Zeit. Diese Erkenntnis versetzte ihrem Herz einen leichten Stich, doch sie konzentrierte sich angestrengt auf den netten Abend, den sie bisher gehabt hatte.
Peter trat hinter sie, und Louise holte tief Luft. Ohne dass sie sich umdrehen musste, stieg ihr der angenehme Duft seines Aftershaves in die Nase.
»Ist das der Busbahnhof?«, murmelte er in ihr Ohr. »Ein ziemlich düsteres Bild.«
»Stimmt.« Louise hatte diese Rollenspiele immer als völlig unmöglich abgetan, bei denen man seinen Ehemann bei einem Date wie einen Fremden behandelte. Wie sollte man auch jahrelangen Ärger über Zahnpasta im Waschbecken und Nasebohren einfach so vergessen können? Doch nach zwei Cocktails fing sie allmählich an, die Möglichkeiten zu entdecken, die in diesem Spiel steckten.
»Mir gefallen eher die Landschaftsbilder«, murmelte sie zurück und deutete auf die dramatische Aufnahme eines Baumes, der düster vor einem hellen, klaren Winterhimmel aufragte und dessen Äste wie Klauen in die Höhe gereckt waren. »Das ist doch in der Nähe von Juliet, oben in Rosehill.«
»Der Künstler ist ein Fan von Landschaften, nicht wahr?« Peter sah sich um. »Wahrscheinlich sind die einfacher. Da ist nicht so viel Bewegung drin.«
»Nein, sieh doch mal, da sind Leute auf dem Bild.« Louise trat einen Schritt zur Seite und deutete auf ein Porträt eines vertrauten Paares, das fast silhouettenhaft auf einer Parkbank abgelichtet war. Der Mann hatte den Arm um die Frau gelegt, und ihre Köpfe waren einander zugeneigt, als ob sie sich gerade Geheimnisse erzählen oder sich küssen würden – was davon nun zutraf, ließ sich nicht genau sagen, doch die Stimmung des Bildes glich einer Hollywood-Romanze. »Das ist wirklich hinreißend! Hat das jemand schon gekauft? Wir sollten nachsehen, ob …« Ihre Stimme verebbte, und sie konzentrierte sich intensiv auf das Bild.
»Bin ich verrückt, oder bist du das da auf dem Bild?«, fragte Peter in einem scherzhaften Tonfall. Er wollte fortfahren, hielt dann aber inne. Sein Tonfall klang nun alles andere als scherzhaft.
Louise starrte auf die Fotografie. Das war tatsächlich sie . Sie zusammen mit Michael. Sein Gesicht lag mehr im Schatten als ihres, doch selbst wenn seine Brille und ihre charakteristische lange Nase nicht Hinweis genug gewesen wären, so hätte Louise sich selbst und Michael sofort daran erkannt, wie leidenschaftlich sie sich aneinanderschmiegten. Dieses brennende Verlangen, miteinander zu reden, sich gegenseitig kennenzulernen, die wenige Zeit, die man miteinander hatte, bis zum Letzten auszukosten – all das war in dem winzigen Streifen Himmel zwischen ihren halb geöffneten Mündern zu erkennen.
»Das bist du, oder?«, wiederholte Peter ungläubig. Seine Stimme klang blechern. »Das ist doch dein Wintermantel mit den Knebelknöpfen.«
Louise wollte ihm nicht in die Augen sehen, doch sie empfand es beinahe als eine Art Zwang, sich zu ihm umzudrehen. Als sie ihn anschaute, blieben ihr allerdings die Worte im Hals stecken. Peter war nicht mehr länger der sanfte IT-Freak, den sie kannte. Seine Miene war angespannt und plötzlich wie um Jahre gealtert, und er schwieg, als müsse er alle Energie darauf konzentrieren, die Ruhe zu bewahren.
Louise schluckte. Jetzt wo der Moment gekommen war, ihm alles zu beichten, schaltete ihr Kopf plötzlich darauf um, alles zu bestreiten. Zum ersten Mal in ihrer Karriere als Staatsanwältin hatte Louise Verständnis für die irrwitzigen Storys, die im Zeugenstand oft gestammelt wurden: Ich kann es gar nicht gewesen sein; ich war überhaupt nicht da. Ich kenne den Mann gar nicht. Ich habe ihn in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.
Nie wieder werde ich diese
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