Liebe kommt auf sanften Pfoten
dann beide aus der Bahn warf.
»Nein, du rufst nicht ungelegen an, Ruth«, erwiderte Juliet und stellte mit der Fernbedienung den Ton der Fernsehsendung ab, während sie den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet hielt, wo das Pärchen mit den blauen Fleecejacken gerade selbstgefällig erklärte, dass ihre original Siphonflasche aus den Zwanzigerjahren ihnen deutlich mehr einbringen würde als die fünfzig Pfund, die sie dafür bezahlt hatten.
Die verdienen das doch gar nicht! Die hätten auf den Experten hören sollen, dachte Juliet und rüttelte sich dann selbst auf.
Konzentriere dich auf Ruth. Sie braucht Unterstützung, genau wie ich. Bens Vater, Raymond, redete nicht viel. Seit Bens Tod arbeitete er abends länger – um sich von dem tragischen Verlust abzulenken, wie Ruth erklärte, doch Juliet vermutete, dass er damit Ruths fassungsloser, ungestümer Trauer aus dem Weg gehen wollte.
Eine Viertelstunde. So lange würde es dauern. Bis vor einem Monat noch hatte Ruth täglich angerufen; jetzt konnte sie sich mit ihr immerhin über die Neuigkeiten der letzten drei Tage unterhalten.
»Wie geht es dir?«, fragte sie und kraulte geistesabwesend Mintons samtige Ohren.
»Ich komme klar.« Es folgte das gewohnte tiefe Seufzen, das auf das Gegenteil schließen ließ. »Ich glaube nicht, dass wir jemals über seinen Tod hinwegkommen werden. Jedenfalls nicht vollkommen. Da er doch unser einziges Kind war. Ich kann nicht begreifen, wie schnell die Leute vergessen! Ob du es glaubst oder nicht, diese blöde Frau im Postamt hat mich doch tatsächlich heute Morgen gefragt, ob ich in Urlaub fahren würde! In Urlaub! Dabei kann ich mich kaum dazu aufraffen, auch nur einkaufen zu gehen …«
Minton sprang vom Sessel herab und blieb neben der Tür stehen, die Ohren aufgerichtet. Juliet klopfte auf die Sitzfläche neben sich, doch er wollte nicht mehr zurück. »Die Leute verstehen das einfach nicht«, erklärte sie. »Das kannst du auch nicht von ihnen erwarten, wenn sie so etwas nicht selbst schon einmal erlebt haben. Was macht die Bank?«
Die Erinnerungsbank war das Einzige, was Ruth »derzeit aufrecht hielt«. Sie war bereits mit der Stadtverwaltung darüber in Streit geraten, wo genau die Bank im Park aufgestellt werden sollte, welche Holzart erlaubt war und so weiter. Juliet war eigentlich gar nicht so sicher, ob diese Bank wirklich die beste Gedenkstätte für Ben war. Er hatte die Bänke im Park gehasst und es vorgezogen, sich ins Gras zu legen. Doch Ruth hatte die Bank zu ihrem Projekt erkoren, und wenn sie ihre Trauer darauf konzentrieren wollte und konnte, dann wollte Juliet sich da nicht einmischen.
»Ich habe mich mit einem Kunsthandwerker unterhalten«, erzählte Ruth. »Aber ich will nichts überstürzen. Die Bank soll genau so werden, wie Ben sie sich gewünscht hätte.«
Juliet sah sich um und ließ den Blick über die unverputzten Wände und die klumpigen Tapetenreste schweifen. Ben hatte es nicht mehr geschafft, die Reste mit dem Dampfreiniger abzulösen, weil er das Leihgerät wieder hatte zurückgeben müssen. Die BBC-Sportsendung Test Match war damals dazwischengekommen.
»Was meinst du damit?«, scherzte Juliet. »Soll das heißen, die Bank wird erst 2019 fertig, ist dann aber immer noch nicht lackiert?«
Erst nach einer Pause antwortete Ruth hochmütig. »Ben war ein absolut verlässlicher Handwerker. Wie all seine Kunden, die zur Beerdigung gekommen sind, gern bestätigt haben. Sein Kundenstamm wäre nicht so groß gewesen, wenn man sich auf ihn nicht hätte verlassen können, oder?«, fragte sie verärgert.
»Das habe ich auch gar nicht behauptet.« Juliet schloss die Augen. O Ben, Scherze sind also von nun an verboten, stellte sie fest. »Nur … mit dem Haus sind wir nie über die vorbereitenden Arbeiten hinausgekommen. Wahrscheinlich, weil er eben für seine Kunden so viele Überstunden gemacht hat.«
Als ob das nicht schon längst Thema eines Streitgesprächs gewesen war!
»Ben hat hart gearbeitet, um …«, fing Ruth an.
Juliet entschuldigte sich lieber schnell. »Tut mir leid, das wollte ich so nicht sagen. Ich kann im Augenblick keinen klaren Gedanken fassen. Ich schlafe nicht sehr viel.«
»Warst du schon beim Arzt? Du musst immer wieder danach fragen, aber meiner hat mir ziemlich gute Tabletten verschrieben, die aber kein direktes Beruhigungsmittel sind …«
Ausdruckslos starrte Juliet auf die Hauskäufer, während sie Ruths Arztgeschichte über sich ergehen ließ. Doch wie das
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