Liebe kommt auf sanften Pfoten
leider nicht zu der Generation, die sich noch beim Nachbarn ein Paket Zucker borgt. Wenn sie sich doch nur schon früher bei Ihnen vorgestellt hätte, dann könnten Sie sich ihr Haus schon längst angeschaut haben!«
Juliet war zu entsetzt, um ihre Mutter daran erinnern zu können, dass die Kellys erst in der äußerst schwierigen Zeit zwischen Bens Tod und seiner Beerdigung eingezogen waren. Ihr Umzugswagen hatte die komplette Straße blockiert, sodass die Männer vom Beerdigungsinstitut mit ihrem Wagen in der Devonshire Street hatten parken müssen, während der Umzugswagen weggefahren wurde. Juliet erinnerte sich nur vage an einen hochgewachsenen Mann mit Bart, der sich vielmals entschuldigt hatte und dann beim Zurücksetzen des LKWs in den Citroën der Nachbarn hineingefahren war.
Lorcan schien zu spüren, wie gereizt sie war. »Jedenfalls«, fuhr er fort und ließ den Blick zwischen Diane und Juliet wandern, »muss ich erst noch jemanden wegen der Farben zum Anstreichen treffen. Passt es morgen um zehn? Dann wären wir um die Mittagszeit herum schon fertig.«
»Prima«, erwiderte Diane. »Zehn Uhr, abgemacht.«
»Großartig.« Lorcan hob die Hand und ging zu einem Van, der vor dem Haus der Kellys parkte.
»Zehn Uhr, abgemacht.« Juliet imitierte den leicht irischen Akzent, mit dem Diane gesprochen hatte. »Begorrah, begorrah. Bei Gott.«
»Wie bitte?«
»Ich ahme nur seinen Akzent nach. Ehrlich.«
»Er macht mir einen wirklich liebenswürdigen Eindruck.«
»Ich weiß. Er ist ja auch … nett. Das heißt aber trotzdem noch lange nicht, dass du einfach jemanden dazu verdonnern kannst, bei mir vorbeizukommen und mir bei der Renovierung zu helfen, als sei ich ein Kleinkind, das nicht einmal einen Handwerker anrufen kann.«
Diane wurde wütend. »Ich habe nichts dergleichen getan. Er wollte von sich aus bei dir vorbeischauen, um die Sicherungen noch einmal zu überprüfen.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Du hast mir gar nicht erzählt, dass du gestern einen Kurzschluss hattest. Warum hast du nicht deinen Vater angerufen?« Ihre Miene erstarrte. »Was ist eigentlich noch so alles vorgefallen, das du uns verschwiegen hast? Herrscht in diesem Haus Lebensgefahr? Vielleicht sollte er mit seinem Besuch gar nicht bis morgen warten. Das sollte lieber heute geklärt werden!«
Diane drehte sich um und wollte Lorcan davon abhalten, in seinen Van zu steigen. Doch Juliet konnte sie gerade noch rechtzeitig am Arm packen. »Nein! Mit meinem Sicherungskasten ist alles in bester Ordnung! Ich habe eben Fernsehen geschaut. Komm rein, dann koche ich dir einen Tee mit meinem perfekt funktionierenden Wasserkocher!«
»Nein«, erwiderte Diane fest entschlossen. »Darum sind Coco und ich ja hier. Wir wollen dich auf andere Gedanken bringen, damit du nicht den ganzen Tag vor dem Fernseher hockst. Du musst doch auch mal nach draußen! Frische Luft schnappen! Und das mit uns zusammen – nicht wahr, Coco?«
Beide starrten zu Coco hinunter. Sie schien jedoch keineswegs versessen darauf zu sein, in den Park zu laufen. Juliets Meinung nach schien der Glanz in ihren braunen Augen nur eines zu sagen: Sofa.
»Ich möchte bei ihr etwas wiedergutmachen«, gestand Diane. »Du weißt schon – dafür, dass ich neulich nicht selbst mit ihr Gassi gegangen bin.« Sie streichelte über Cocos weichen Kopf. »Ich habe unseren Spaziergang genauso vermisst wie sie. Zieh dir deinen Mantel an. Minton! Kannst du dir deine Leine holen? Deine Leine! Damit wir Gassi gehen können?«
Sie benutzte diesen Babytonfall, den Juliet Minton gegenüber niemals anschlug. Sie und Ben hatten damals vereinbart, dass sie ausschließlich in Erwachsenensprache mit ihrem Hund reden wollten.
»Er kann keine Kunststückchen. Er ist ein Terrier , Mum!«
Ärgerlicherweise trabte Minton jedoch los und schnappte sich sein Halsband, das neben der Haustür am Haken hing, und kaute stolz darauf herum. Das war der Zeitpunkt, an dem Juliet aufgab.
»Dieser Lorcan ist ein wirklich interessanter Mann. Wusstest du eigentlich, dass er früher mit Alec zusammen ein Roadie war? Und dass er mit Emer in einer Folk-Rock-Band in Kilburn gespielt hat?«
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte Juliet. »Ich hoffe nur, dass sie besser spielen können als Salvador.«
»Salvador?«
»Emers Sohn. Er besitzt eine Bassgitarre, hat aber kein Ohr für Musik.«
Zusammen spazierten sie den Pfad am Longhamptoner Kanal entlang. Minton lief an seiner langen Leine, jagte umher und schnüffelte
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