Liebe kommt auf sanften Pfoten
behauptet deine Mutter aber etwas ganz anderes.« Lorcan lächelte sanft, doch seine Worte trafen Juliet unerwartet hart. »Sie sagt, du könntest den tatsächlichen Verkaufswert bei Bargain Hunt vorhersagen, bevor überhaupt der Auktionator zu sehen ist.«
»Das ist eine Sendung. Und gut geraten von mir. Aber meine Mutter hat keine Ahnung, was ich brauche, um den Tag zu über…« Juliet hörte selbst, wie sie im Takt zu ihrem Herzrasen die Stimme hob.
Sie schloss die Augen und versuchte, Bens Stimme zu finden. Sie holte tief Luft. Eines nach dem anderen.
Genau das war es, was ihr dabei geholfen hatte, die Beerdigung zu überstehen: sich der Reihe nach auf die Dinge zu konzentrieren. Wenn sich alle in die Renovierung ihres Hauses einmischen wollten, dann bitte! Vielleicht würde sich dies als ein weiterer Handlauf erweisen, an dem sie sich an diesen seltsamen, einsamen und leeren Tagen entlanghangeln konnte, bis sie sich wieder in der Lage fühlte, sich der Welt zu stellen. Dazu müsste sie einfach nur alles exakt so machen, wie Ben es gewollt hätte – bis hin zu den alten Messingbeschlägen für die Türen, die ihn so begeistert hatten.
Als Juliet die Augen wieder öffnete, rieb sich Lorcan mit seinen langen Fingern über die Stirn. »Irgendwie sage ich immer die falschen Dinge.« Er stöhnte.
Juliet dachte für den Bruchteil einer Sekunde darüber nach, ihre Witwen-Karte auszuspielen und beleidigt nach unten abzurauschen, doch überraschenderweise tat ihr Lorcan plötzlich leid. Er hatte ja nur das wiederholt, was ihre Mutter gesagt hatte, und wahrscheinlich angenommen, dass es sich dabei um einen Insiderwitz der Familie handelte. Dabei hatte ihre Mutter wirklich recht: Von dem Vorfall mit den Sicherungen einmal abgesehen, war Lorcan wirklich ein netter Kerl. Weder hatte er sich irgendwie danebenbenommen noch war er ans Handy gegangen, als dieses in seiner Gesäßtasche geklingelt hatte.
»Tut mir leid«, erwiderte sie in einem plötzlichen Anflug von Ehrlichkeit. »Manchmal denke ich, dass es mir besser geht, und dann merke ich mit einem Mal, dass es doch nicht so ist.«
»Ich weiß«, antwortete er, als würde er sie nur allzu gut verstehen. »Das ist alles nicht so leicht.«
Juliet hatte keine Lust, dieses Thema noch weiter zu vertiefen. Die Aussicht, in diesem Haus Änderungen vorzunehmen, war mehr als genug, womit sie erst einmal zurechtkommen musste. »Okay, das war also die obere Etage. Unten ist die Lage ein wenig komplizierter …«
Lorcan und Juliet drehten ihre Runde durch das Erdgeschoss, während er ihr die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigte, die sie hatte. Sie nickte und konzentrierte sich, wobei sie sich zuerst zwang, Fragen zu stellen, bis sie dann schließlich merkte, dass sich diese ganz von allein ergaben.
Je mehr Lorcan redete und umherdeutete, wo überall eine indirekte Raumbeleuchtung möglich wäre oder welche Effekte bestimmte Farben erzielen würden, desto einfacher klang alles. Überrascht ertappte sich Juliet bei dem Wunsch, dass einige der Arbeiten schon erledigt wären.
»… Natürlich könnte man hier auch Jalousien anbringen«, erklärte Lorcan gerade. Dann sah er sie schief an. »Es klingelt, oder?«
»Ich höre nichts.«
Minton hörte jedoch sehr wohl etwas. Anstatt sie zu verfolgen, starrte er mit gespitzten Ohren zur Haustür.
»Entschuldige mich bitte kurz«, sagte Juliet und eilte in den Flur.
Als sie die Haustür öffnete, standen die zwei kleinen Mädchen von nebenan vor ihr. In ihren kupferroten Mähnen hingen Grashalme und Blütenblätter.
Juliet sah die Zwillinge zum ersten Mal aus der Nähe; sie konnte aber nur schwer schätzen, wie alt die beiden waren – sieben, acht vielleicht? Woher sollte man so etwas auch wissen, wenn man selbst keine Kinder hatte? Die beiden glichen sich aufs Haar, nur trug die eine ein Led-Zeppelin-T-Shirt über ihrem langen Stufenrock, während die andere ein Bad-Company-Shirt trug. Beide hatten große, runde blaue Augen, die sie jeweils hinter einer Brille mit Goldrand anblinzelten.
»Ist Lorcan da?«, fragte die eine mit einem hübschen halb irischen, halb Londoner Singsang-Akzent.
»Ja, er …« Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich Juliet von jemandem verunsichert, der ihr nur bis zur Taille reichte. »Ich werde ihn mal …«
Lorcan tauchte hinter ihr auf. »Was wollt ihr zwei Radau- schwestern denn jetzt schon wieder?«
»Mum lässt ausrichten, dass du nach Hause kommen kannst – sie hat ein Glas, das sie
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