Liebe kommt auf sanften Pfoten
nicht aufbekommt«, erwiderte das Led-Zeppelin-Mädchen.
»Sag ihr, sie soll es gegen die Küchentheke schlagen.«
»Das hat sie schon versucht. Sie sagt, dabei wäre beinahe die verdammte Theke kaputtgegangen.«
Lorcan drehte sich zu Juliet um und sah sie entschuldigend an. »Tut mir leid, würdest du mich bitte kurz ent…« Er hielt inne, runzelte die Stirn und drehte sich wieder zu den Mädchen um. »Roisin! Du sollst doch ›verdammt‹ nicht sagen!«
Roisin runzelte nun ihrerseits die Stirn. »Ich könnte noch viel schlimmere Dinge sagen. Ich könnte zum Beispiel sagen, dass …«
Lorcan drohte mit dem Zeigefinger und sah sie böse an. Roisin zeigte sich davon jedoch vollkommen unbeeindruckt.
»Sie hätte auch ›beschissen‹ sagen können«, erklärte das andere Mädchen gelassen.
Roisin sah ihre Schwester mit gespieltem Entsetzen an. »Florrie!«
Mit einem verschämten Blick, den sie sich bei einer deutlich älteren Person abgeguckt haben musste, wandte sich Roisin wieder an Lorcan. »Willst du uns denn gar nicht vorstellen?«
»Juliet, ich kann mich für die beiden nur entschuldigen.« Lorcan hob resignierend die Hände. »Die mit den Sprachproblemen hier ist Roisin Kelly, und das ist Florrie Kelly, die ein … was, zum Teufel, ist das, Florrie?«
»Eine Maus.« Florrie hielt ein pelziges Etwas hoch, das sie aus ihrer Rocktasche hervorgeholt hatte, und zeigte Lorcan die rosafarbene Schnauze des Tiers. »Ich hab sie im Garten gefunden.«
Minton stieß ein scharfes Bellen aus und hätte sich auf die Maus gestürzt, wenn Juliet ihn nicht im letzten Moment am Halsband gepackt und hochgehoben hätte. Auf ihrem Arm zappelte er nun verärgert herum.
»Tu die Maus weg«, befahl Lorcan, »bevor sie aufgefressen wird!«
»Kommst du jetzt und machst dieses Scheißglas auf?«, drängte Roisin ungeniert. »Wir bekommen nämlich sonst kein Mittagessen. Es ist ein Glas mit Pestosauce.«
Juliet warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Schon halb zwölf. Bis auf Bargain Hunt hatte sie heute alle Sendungen im Fernsehen verpasst. Der Vormittag war ziemlich schnell vergangen.
»Möchtest du vielleicht mit rüberkommen und dir Emers Bad mal ansehen?«, fragte Lorcan. »Bevor ich es dir umständlich beschreibe, zeige ich es dir besser.«
»Lorcan …« Das kleine Mädchen zupfte an seinem T-Shirt.
»Nein, schon okay. Ich … Ich muss mit Minton Gassi gehen.«
Das stimmte zwar, aber noch während sie dies sagte, verspürte sie ein seltsames Gefühl, das sie nicht genau beschreiben konnte.
Erst als Juliet die erste Hälfte der Runde durch den Park hinter sich hatte, gestand sie sich die Wahrheit ein: Trotz des Lärms und des schlechten Starts mit Lorcan wollte sie gern nach nebenan gehen, doch zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte sie sich sehr schüchtern.
8
A ls Louise und Juliet noch im Teenageralter waren, platzte Juliet immer wieder gern in Louises Zimmer hinein, wenn ihre Schwester noch mit den Hausaufgaben beschäftigt war, und überredete sie, mit ihr Persönlichkeitstests aus Zeitschriften auszufüllen – jene Tests, die einem Auskunft darüber geben sollten, welcher »Dating-Typ« man war oder welchem Friends -Charakter man am meisten ähnelte. Juliet war raffiniert genug, ihre Antworten mitten im Test zu ändern, wenn sie der Meinung war, dass ihre eigentlichen Antworten zu einem unerwünschten Ergebnis führten; doch Louise war unerbittlich.
Juliet, die recht offen und arglos war, liebte es, herauszufinden, wie sie »wirklich« war, obwohl ihr Louise dies hätte sagen können, ohne dafür Antwort a, b oder c ankreuzen zu müssen. Juliet war schlicht und einfach der liebste Mensch, den sie je kennengelernt hatte. Ein typischer Krebs eben, wie die Zeitschriften wohl sagen würden, Lieblingsfarbe Gelb, Lieblingstier Labradoodle – ein Mischling, in dem sowohl Labrador als auch Pudel steckt.
Mit solchen Fragebögen gab sich Louise jedoch lieber erst gar nicht ab, da sie dank ihrer sechsjährigen Mitgliedschaft im Schul-Debattierclub eine sehr dezidierte Meinung zu allen Themen besaß, ganz gleich ob es dabei um Atomkraft, das Erwachsensein, den Euro oder Reality-TV ging. Obwohl sie den gleichen Test gemacht hatte (typische Jungfrau; Marineblau; Pferde), wusste sie sehr gut Bescheid über sich, sowohl über ihre Stärken als auch über ihre Schwächen. Sie ging stets überaus methodisch vor, arbeitete hart, war in allem sehr berechenbar und legte Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Sie würde
Weitere Kostenlose Bücher