Liebe kommt auf sanften Pfoten
Verhältnis zueinander bestellt.
»Ja, das ist der Handwerker, der nebenan bei den Kellys wohnt. Ein netter Kerl. Ein wenig unrasiert vielleicht, aber sonst ziemlich verlässlich. Wahrscheinlich zu nicht mehr als einem Flirt zu gebrauchen, aber das hat noch niemandem geschadet.«
»Mir gegenüber hat sie nie etwas erwähnt«, stellte Louise fest.
»Nicht?« Diane klang überrascht. »Ich dachte … Na ja. Das wird sie sicherlich noch tun, wenn ihr zwei euch mal bei einer Flasche Wein miteinander unterhaltet. Wie ihr das früher immer getan habt.«
»Wir sind beide sehr beschäftigt«, entgegnete Louise abwehrend. »Seit ich wieder arbeiten gehe, habe ich sogar kaum noch Zeit, mir die Haare zu waschen. Außerdem will ich Juliet nicht dazu zwingen müssen, sich mit mir zu treffen.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
»Was, Mum?«, fragte Louise schärfer als beabsichtigt. »Spuck’s aus, ganz gleich was es ist.«
»Habt ihr zwei euch etwa gestritten und mir nichts davon erzählt?«
Louise blieb stehen und trat in den Eingang von Boots . Seit Monaten hatte sie darauf gewartet, dass ihre Mutter exakt diese Frage stellte. Nachdem diese nun gestellt war und zwischen ihnen stand, war sich Louise nicht mehr sicher, was sie darauf antworten sollte.
Ja, Juliet und sie hatten sich zerstritten, aber nicht auf die geschwisterliche Art. Es war weitaus schlimmer. Alles hatte mit einer simplen Unterhaltung begonnen, die dann eine unerwartete Wendung genommen hatte und außer Kontrolle geraten war wie ein Rodelschlitten, der aus der Bahn geworfen wurde. Danach waren beide erschrocken darüber gewesen, wie wenig sie beide übereinander wussten.
Es war ein Abend »ohne die Jungs« gewesen, an dem nur sie beide sich bei Louise zu einer Flasche Wein getroffen hatten, kurz nach Bens Geburtstag. Nach nur einem Glas Wein war Juliet allerdings etwas über Ben herausgerutscht, das Louise für einen Moment lang zum Schweigen gebracht hatte. Da sie nicht wusste, welchen Rat sie ihrer Schwester geben sollte, hatte sie sich zu einem ähnlich schockierenden Geständnis gegenüber Juliet hinreißen lassen. Doch der Gesichtsausdruck ihrer Schwester hatte sie innehalten lassen, bevor das eigentliche Geständnis aus ihr heraussprudeln konnte.
Selbst hier, vor Boots mitten auf der High Street, hatte sie noch Juliets Blick vor Augen, der normalerweise nachsichtig war, damals aber eiskalt wurde. Dann hatte Juliet sich ihren Mantel geschnappt und war davongestürmt, ohne auf eine Erklärung zu warten. Louise war allein zurückgeblieben und hatte den Rest der Flasche ausgetrunken und noch eine weitere halbe Flasche, bis es schließlich zu spät war, um Juliet noch anzurufen und die Worte loszuwerden, die zwischen Freundinnen alles wieder gekittet hätten. Juliet war allerdings keine Freundin, sondern ihre Schwester.
Es wäre schon schlimm genug gewesen, Juliet am nächsten Morgen in die Augen sehen zu müssen, nachdem Louise den schlimmen Kater überstanden hatte, doch nur vierundzwanzig Stunden später lag Ben tot im Krankenhaus von Longhampton, und Trauer, Bestürzung und Schock waren wie eine Flutwelle über die gesamte Familie hereingebrochen. Diese hatte jedoch nicht die schlechte Stimmung zwischen ihnen beiden wie Sand fortgespült, sondern sie nur noch verstärkt und erstarren lassen wie die Körper in Pompeji. Immer noch war alles da – die Geheimnisse, die ungestellten Fragen –, jedoch nur verborgen.
Louise lehnte sich an die Marmorverkleidung der Schaufensterfront und fragte sich, wie viel – und ob überhaupt – ihre Mutter davon erfahren sollte. Wahrscheinlich war auch die Frage sinnvoller, wie viel sie vielleicht ohnehin schon wusste?
»Wie kommst du darauf?«, fragte sie ausweichend.
Leider besaß Diane nicht Louises Fähigkeit, vor Gericht in jeder Situation angemessen reagieren zu können. Vielleicht war sie eine Intrigantin, doch im Kreuzverhör war sie wie Juliet und gestand alles.
»Da ist so eine komische Atmosphäre zwischen euch, wenn ihr euch begegnet. Das ist mir kürzlich aufgefallen, als ich Toby abgeholt habe; da hat sich Juliet ziemlich seltsam benommen. Sei ehrlich – ist sie wegen ihm eifersüchtig auf dich? Ich hätte nicht gedacht, dass sie und Ben versucht haben, ein Kind zu bekommen. Andererseits: Hätte sie mir davon erzählt? Hat sie dir gegenüber irgendetwas erwähnt?«
Louise bekam ein schlechtes Gewissen, die nächstbeste Ausrede anzubringen, doch sie tat es. »Ich denke, sie
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