Liebe kommt auf sanften Pfoten
haben zumindest darüber nachgedacht. Ich will sie nicht zum Babysitten zwingen, um nicht noch zusätzlich Salz in die Wunde zu streuen.«
»Oh, aber sie liebt doch Toby von ganzem Herzen«, entgegnete Diane sofort. »Juliet ist jung und hat noch genügend Zeit, um eine eigene Familie zu gründen. Es wäre nicht Bens Familie, das ist mir auch klar, immerhin war er die Liebe ihres Lebens, aber … Oje. Manchmal ist es wirklich schwer, zu wissen, was das Beste für jemanden ist. Ich finde aber immer noch, dass es ihr helfen würde, ein Teil deiner Familie zu werden. Sie braucht ihre große Schwester jetzt.«
Louise sah Juliets wütende Miene vor ihrem geistigen Auge. Wenn sie selbst sich schon jedes Mal an jenes Gespräch erinnerte, sobald sie an Juliet dachte, dann musste es Juliet wohl genauso ergehen.
»Und sie braucht Toby«, fuhr Diane fort. »Sie braucht jemanden, den sie lieben kann. Und das sollte jemand anders als Minton sein. Gott segne ihn, aber er wird nicht immer in der Lage sein, ihr zu sagen, dass er sie genauso liebt, nicht wahr? Sei die Klügere von euch beiden, Louise. Fang an, eine Brücke zu bauen.«
»In Ordnung, ich werde sie fragen«, erwiderte sie schließlich. Immer war sie diejenige, die einen Anfang machen musste.
»Jetzt geht es mir gleich viel besser«, erklärte Diane erleichtert. Louise fragte sich unweigerlich, ob ihre Mutter wohl immer noch besorgt wäre, wenn sie wüsste, was sie der armen, traurigen Juliet damit antat und warum ihre zwei Mädchen – die sich in mancherlei Hinsicht so ähnlich, in anderen Bereichen aber vollkommen gegensätzlich waren – nicht mehr miteinander redeten.
Zufälligerweise befand sich Juliet nur wenige Hundert Meter von Louise entfernt, als diese anrief, während Juliet mit Coco, Minton und Hector eine Runde durch den Park drehte.
Seitdem Hector ein Geschirr trug und von jemandem Gassi geführt wurde, der ihm Anweisungen gab, anstatt zuzulassen, dass er in jede beliebige Richtung lief, hatte er eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Zudem schien Hector seine Probleme mit Minton überwunden zu haben, da die zwei vor Juliet und Coco kumpelhaft nebeneinanderhertrabten. Wie ein paar Kerle, die abends in der Stadt einen draufmachen wollen, stießen sie gelegentlich mit den Schultern aneinander.
Juliet freute sich, dass Minton einen Freund gefunden hatte. Selbst wenn dieser Freund ein ziemliches Früchtchen war, das ihren unschuldigen Jungen vom rechten Weg abbringen konnte, so nahm ihr dies doch eine gewaltige Last von den Schultern, was Mintons Unterhaltung anbelangte. Denn sie glaubte nicht, dass sein derzeitiges Leben auch nur ansatzweise so spannend und abwechslungsreich war wie zu der Zeit, als Ben ihn jeden Tag zur Arbeit mitgenommen hatte.
Coco lief brav neben Juliet her, die sich, ausgestattet mit Dianes Schrittzähler, in einer wunderbar schützenden Blase befand, die ihr Kapitel sieben von Jane Austens Emma bescherte. Das höfliche Nicken der anderen Gassigänger war den recht förmlichen Beziehungen gar nicht mal so unähnlich. Die blonde Besitzerin des Wild Dog Café mit ihrem rot-weißen Basset Hound strahlte sie vertraut an, auch wenn Juliet nicht einmal ihren Namen kannte. Ebenso der Ruheständler mit Schirmmütze mit seinem überraschend männlichen Scottish Terrier namens Churchill; dieser tippte im Vorübergehen sogar mit dem Zeigefinger an seine Mütze.
Das Leben war deutlich zivilisierter gewesen, als die Menschen früher noch gezwungen waren, bei Besuchen zuerst ihre Visitenkarten abzugeben, dachte Juliet, als sie den Park verließ und den Hügel in Richtung der Coneygreen Woods hinauflief. Damals musste man es auch als Witwe einfacher gehabt haben. Für Witwen hatte es früher einen Zeitplan gegeben, der sogar vorgab, welche Kleidung sie anziehen mussten, um den Mitmenschen zu signalisieren, in welcher Phase ihrer Trauer sie sich gerade befanden. Darum hatten die Leute auch immer gewusst, was in solch einer Situation zu sagen war, und hatten nicht etwa so alberne, ärgerliche Dinge gesagt wie »Die Zeit heilt alle Wunden« oder »Er hatte ein erfülltes Leben«.
Juliet hielt inne, als der Erzähler inmitten eines Bonmots plötzlich verstummte und sich ein Handyklingeln dazwischenschob. Als sie ihr Handy aus der Tasche gekramt hatte und sah, dass es nicht etwa ihre Mutter war, sondern Louise, sank ihre Stimmung. Dennoch nahm sie das Gespräch an.
»Juliet, ich bin’s.« Louise klang fröhlich – wenn auch aufgesetzt
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