Liebe kommt auf sanften Pfoten
Der müde, erschöpfte Klang ihrer Stimme durchbrach Juliets Schutzwall.
»Na gut, okay. Wie lange?«
»Wir bleiben nicht lange fort. Wir sind beide erledigt – jede Wette, dass wir schon vor dem Nachtisch gehen. Das heißt, wenn wir nicht während des Essens bereits in einen Tiefschlaf verfallen! Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, jemand anders würde mit Toby zum Essen gehen, damit Peter und ich um sieben schlafen gehen können.«
Juliet fiel auf, dass Louise wieder in ihrem sehr gnädigen Tonfall sprach – jenem überfröhlichen Tonfall, den sie benutzte, während sie so tat, als sei diese ganze fantastische Familiensituation in Wahrheit eine Art Belastungsprüfung, damit Juliet nicht neidisch wurde. Das Baby, der Job, das Auto – alle waren im Unterhalt sehr kostspielig. Wie traurig. Nein – eigentlich war es fast noch ärgerlicher als normale Prahlerei.
Louise klang jedoch angespannter als sonst. Vielleicht war doch nicht alles aufgesetzt gewesen, dachte Juliet insgeheim. Es klang fast so, als müsse sie versuchen, sich selbst von ihren Worten zu überzeugen.
»Wie schön, dass ihr ein Date habt«, erklärte Juliet. »Ein romantisches Dinner für zwei, nehme ich an?«
»Ja. Wir … Peter bemüht sich.«
»Ist es nicht ein wenig spät dafür?«
Sobald sie es gesagt hatte, wusste sie, dass dies ein Schlag unter die Gürtellinie gewesen war. Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen, doch es war zu spät, um den Satz zurückzunehmen, und auch Louises Reaktion konnte da nicht helfen.
Schwierig.
Oben von der Spitze des Hügels, wo sich die verschiedenen Naturwanderwege voneinander trennten, winkte ihr jemand zu.
Juliet kniff die Augen zusammen. Die Sonne war endlich zwischen den grauen Wolken zum Vorschein gekommen und strahlte durch die Blätterkronen. Derjenige, der dort oben winkte, war ein Mann, ein Mann mit einem Cockerspaniel.
Juliet erkannte die Hündin sofort – es war Damson.
Offenbar hatte ihr Besitzer Juliet an den vielen Hunden erkannt, die sie durch die Gegend zerrten.
Juliet nahm die Leinen in die andere Hand, klemmte sich das Handy zwischen das Ohr und die Schulter und winkte zurück. Louise hatte sich mittlerweile wieder gefangen und berichtete ausschweifend über Fütterzeiten und andere Dinge, während der Mann auf Juliet zukam und die Distanz zwischen ihnen ziemlich schnell verringerte.
Dieses Mal hätte Juliet ihn auch ohne den Spaniel wiedererkannt. Sein zerzaustes Haar, die Brille und die Barbour-Wachsjacke, aus deren Taschen Frischhaltetütchen mit Leckerli herausschauten, wirkten vertraut. Anhand dieser Eigenschaften konnte man beinahe jeden Hundebesitzer erkennen. Er lächelte und schien sich schon auf die Begrüßung vorzubereiten.
Der Gedanke an eine solch spontane Unterhaltung jagte Juliet den gewohnten Panikschauer über den Rücken. Sie schätzte, dass sie noch etwa zwei Minuten Zeit hatte, um das Telefongespräch zu beenden, sich wieder die Stöpsel ins Ohr zu schieben und so zu tun, als sei sie vollkommen in ihr Emma -Hörbuch vertieft, ohne dabei unhöflich zu wirken.
»… also so um sechs?«, schloss Louise.
»Ja, alles klar«, antwortete Juliet und fummelte an ihren Ohrstöpseln herum. Sollte sie? Sollte sie nicht?
Der Mann war jetzt in der Nähe und deutete auf Damson, dann auf den Kaffeestand und gestikulierte schließlich, etwas trinken zu wollen.
»Prima«, erwiderte Louise. »Toby freut sich schon! Soll ich dir etwas Bestimmtes fürs Abendessen in den Kühlschrank stellen?«
»Ist mir egal. Ich esse ohnehin nicht viel.« Louise vergeudete mit ihren albernen Fragen, ob Juliet auch genug Vitamine zu sich nahm, kostbare Sekunden, die Juliet zum Nachdenken gebraucht hätte. Bevor sie sich schließlich eine passende Ausrede zurechtlegen konnte, hatte Juliet schließlich aufgelegt. Damson und Mark (er hieß doch Mark, oder? Juliet zermarterte sich das Hirn. Oder doch Luke? Zumindest sah er wie ein Mark aus!) waren zu diesem Zeitpunkt schon so nah, dass Hector zur Begrüßung zu bellen anfing – sein Äquivalent zu »Hallo, Süße, hübsche Beine«.
»Hör auf damit«, zischte Juliet. »Du bereitest mir damit nur Schwierig…«
Zu spät. Schon stand der Mann vor ihr.
»Hallo«, begrüßte sie ihn. »Tut mir leid wegen Hector. Ich bin heute noch nicht weit genug mit ihm gelaufen, um ihm dieses Verhalten abzugewöhnen.«
»Ach, er will doch nur nett sein«, erwiderte Mark. »Wunderbares Wetter heute, oder? Da hätte ich die hier gar nicht anziehen
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