Liebe kommt auf sanften Pfoten
fand, ein wenig unorganisiert zu klingen sei vielleicht gar nicht so schlecht. »Hectors Besitzerin hat mir einen Haustürschlüssel überlassen, sodass ich ihn abhole, mit ihm gehe, ihn dann wieder zurückbringe und dann nachschaue, ob er noch genug Wasser im Napf hat. Danach kann Hector dann ein Nickerchen machen. Aber die Dame wohnt auch nicht weit von mir entfernt. Sie brauchen sich übrigens keine Sorgen zu machen«, fuhr sie fort. »Ich habe einen dieser gut gesicherten Schlüsselkästen mit einem ordentlichen Schloss davor.« Ben hatte einen für die vielen Schlüssel seiner Kunden benötigt. »Wo wohnen Sie eigentlich?«
»Unten am Kanal. Am Riverside Walk.«
Oh, dachte Juliet. Das sind die schönen Neubauten. Er scheint von Beruf Manager zu sein.
»Okay«, antwortete Juliet und reagierte schnell. »Geben Sie mir doch Ihre Telefonnummer, dann rufe ich Sie zurück.«
Während er seine Daten aufschrieb, kam es Juliet in den Sinn, dass dies eine gute Gelegenheit war, die Sache mit den Namen zu klären.
Doch wie alle Hundehalter hatte er nur Damson sowie seine Adresse und Telefonnummer notiert.
Und wie immer lächelte Juliet nur verlegen. »Prima.«
12
E s war schon erstaunlich, fand Juliet, wie viel man über eine Person erfahren konnte, wenn man lediglich deren Tiere fütterte.
Mrs Cox war Witwe, besaß aber eine Horde Enkelkinder und Urenkel von fast schon biblischen Ausmaßen. Zudem schien sie eine Vorliebe für Süßes zu haben – zumindest ließen die Großpackungen von Thorntons Toffees in ihrer Vorratskammer diesen Schluss zu. Sie besaß drei volle Regalreihen mit Sardinenbüchsen, eine gesonderte Waschmaschine für die Katzendecken sowie die Angewohnheit, die Gutscheine für Sonderangebote des Supermarktes entlang des Küchenfensters an Kleiderhaken aufzuspießen, damit sie sich daran erinnerte, sie auch zu benutzen.
Juliet kam sich beinahe wie in einer Fernsehsendung des Nachmittagsprogramms vor, als sie mit der Gießkanne bewaffnet ins Wohnzimmer ging, um dort, wie von Mrs Cox gewünscht, die Begonien zu wässern. Hier kam sie in den vollen Genuss, sich das Haus einer fremden Person anschauen zu können, ohne mit dieser ein Gespräch führen oder £ 4,80 für ein Inneneinrichtungsmagazin bezahlen zu müssen. Perfekt.
Na ja, sie sollte sich mit den Katzen unterhalten. Diese schienen ein wenig Konversation von ihr zu erwarten – so majestätisch, wie diese sie anstarrten.
»Geht es dir gut?«, fragte sie also Bianca, während sie sich ein Toffeestück in den Mund schob (»Bedienen Sie sich ruhig und kochen Sie sich auch gerne einen Tee oder einen Kaffee«). »Du siehst ein bisschen traurig aus. Vermisst du deine Mum?«
Boris schien noch betrübter zu sein als bei ihrem letzten Besuch. Seine Augenwinkel hingen noch weiter nach unten, und auch sein Schwanz schien … an Kraft verloren zu haben.
Juliet war zwar keine Katzenexpertin, doch er sah aus, als sei alle Luft aus ihm heraus.
»Leute, was ist los?«, fragte sie besorgt. »Ihr habt nicht mal euren Lachs angerührt!«
Sie stellte die Gießkanne ab und wackelte mit den Wedgwood-Porzellanschüsseln, in denen sich frisch zerkleinerter roter Lachs befand (immerhin der Marke John West, nicht etwa die billige Supermarkt-Eigenmarke), doch keine der Katzen schien auch nur das geringste Interesse dafür zu zeigen.
»Hat das Futter die falsche Temperatur?«, hakte Juliet nach. »Habe ich die falschen Schüsseln genommen? Vielleicht würdet ihr den Fisch ja lieber vom Boden essen?«
Keine Antwort.
Juliet runzelte die Stirn und zog ihre brandneue rote Aktenmappe aus ihrer Tasche. Zweifellos hatte Louise von Diane, der Tiersitter-Vermittlerin, einen Tipp bekommen, denn sie hatte Juliet eine ganze Ladung Büromaterial vorbeigebracht: Prospekthüllen für Anweisungen, verschiedenfarbige Stifte, Quittungsblöcke und Aufkleber. Eigentlich alles außer Hundekottüten.
»Du musst dich richtig organisieren«, hatte Louise in ihrer klassischen Louise-Art kommandiert. »Das wird bei deinen Kunden das Gefühl von Vertrauen erwecken.«
»Kunden? Ich bin doch gar nicht …«
»Du musst ihnen zeigen, wie ernst dir die Angelegenheit ist.« Louise hatte richtig kämpferisch gesprochen und schien extra den Anzug angezogen zu haben, den sie sonst bei Gerichtsverhandlungen trug. »Wenn du dich um die Lieblinge anderer Leute kümmerst – ganz gleich ob es sich dabei um ein Baby oder ein Haustier handelt –, dann wollen deine Kunden das Gefühl haben, dass
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