Liebe kommt auf sanften Pfoten
ausblieben. Genau das war es, was Juliet so vermisste; die Frage nach einem Kaffee, wenn sich der andere einen für sich selbst kochte, eine unerwartete Umarmung, wenn sie gerade das Geschirr spülte. Der enge Kontakt und die Gedanken, die dafür sorgten, dass sich nicht jeder Tag wie eine Isolationshaft anfühlte.
Das Gefühl, gleich zusammenzubrechen, erfasste sie plötzlich, begleitet von jener Finsternis, den Rest ihres Lebens, der noch vor ihr lag, allein verbringen zu müssen. Minton war auch schon acht Jahre alt und würde nicht ewig leben …
Lautes, bemitleidenswertes Miauen durchbrach Juliets düstere Gedanken. Sie schaute zu Boden, wo Boris saß und sich kratzte. Sein weißes Fell war mit schrecklichen schwarzen Klumpen durchsetzt, die wie Blutegel aussahen. Ein riesengroßer Klumpen klebte ihm im Gesicht, und er versuchte ohne Erfolg, ihn mit der Pfote zu entfernen.
»Boris!« Juliet setzte Bianca kurzerhand auf dem Küchentisch ab und schnappte sich ihren Bruder. »Was hängt denn da in deinem …«
Toffee. Ganz viele Toffeebonbons, die alle in seinem langen weißen Fell klebten.
»Oh … nein!«, stammelte Juliet.
Draußen auf dem Vordersitz des Vans war Minton nicht gerade begeistert, als Juliet mit einem großen Katzenkorb unter dem Arm aus dem Haus zurückkehrte. Aber auch Bianca und Boris waren alles andere als erfreut, Minton zu sehen – und das, obwohl Mrs Cox erzählt hatte, dass die beiden beim Tierarzt einen zudringlichen Labrador abgewiesen hatten. Doch Juliet fand, dass keiner von den dreien eine andere Wahl hatte.
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie die Toffees aus Boris’ Fell herausbekommen sollte. Doch sie wollte auf keinen Fall in Mrs Cox’ Haus in Panik geraten, falls irgendein Nachbar das Katzengejammer hören und vorbeischauen würde, um nachzusehen, ob Juliet etwa die Katzen quälte.
Als sie jedoch bei sich zu Hause die Haustür aufschloss, merkte sie, dass auch ihr Haus nicht gerade zuschauerfrei war: Laute Musik von Guns N’ Roses schallte ihr entgegen, die von Gesang und Hämmern begleitet wurde.
Lorcan war da und arbeitete offensichtlich im Badezimmer.
Na prima , dachte Juliet. Dies war das erste Mal seit Bens Tod, dass sie nach Hause kam, das Radio lief und jemand im Haus war – was allein schon aufwühlend genug war –, doch jetzt würde es für ihre unprofessionelle Katzenpanik auch noch Zeugen geben.
Mintons Schwanz schlug wie ein Schlagzeug gegen die Tür. Er gab sich keine Mühe, seine Begeisterung für Lorcans Anwesenheit zu verbergen – so ein wankelmütiger Köter!
»Lorcan?«, rief Juliet die Treppe hinauf und fragte sich dann, warum sie ihre Anwesenheit in ihren eigenen vier Wänden verkünden musste.
»Juliet?« Die Musik wurde jäh abgestellt, und Lorcan kam die Treppe heruntergelaufen. »Stell dir bloß mal vor …!«
»Was denn?« Juliet setzte Boris’ und Biancas Weidenkorb auf dem Sofa ab. Die beiden pressten ihre flachen Köpfe ans Drahtgitter und nahmen das Wohnzimmer unter die Lupe.
Lorcan tauchte im Türrahmen auf. Ein strahlendes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit, und die schwarzen Locken klebten ihm am Kopf. »Ich hoffe inständig, dass Minton und du total schlammverkrustet von eurer Gassirunde zurückgekehrt seid, denn die neue Dusche ist … Oh!« Er hielt inne, als sein Blick auf den Katzenkorb und Juliets verzweifelte Miene fiel. »Hast du geweint?«
»Nein. Die Dusche ist fertig?«, fragte Juliet.
»Ja. Na ja, beinahe. Ich hatte gehofft, vor deiner Rückkehr fertig zu werden, aber … Ist das eine Katze?«
»Das sind zwei Katzen.« Juliet fasste sich an die Stirn, als Boris zu miauen begann und verzweifelt versuchte, dem Katzenkorb zu entkommen.
»Kann ich … helfen?«
»Keine Ahnung. Weißt du zufällig, wie man Toffeebonbons aus einem Katzenfell entfernen kann? Hast du irgendwelche Supertricks mit Terpentin auf Lager?«, fragte sie verzweifelt.
»Nein.« Lorcan schüttelte den Kopf. »Ich hab mir mal meine Haare an einer Lichttraverse verkokelt, musste alles abschneiden und sah wochenlang wie ein Streichholz aus.«
»O Gott«, stöhnte Juliet und ließ sich neben den Katzen aufs Sofa sinken. »Das war’s mit meiner Karriere als Tiersitterin.«
»Aber ich kenne jemanden, der weiß, was zu tun ist«, fuhr Lorcan fort.
»Wen?«
»Emer.« Er nickte in Richtung Nachbarhaus. »Du willst gar nicht wissen, was Roisin schon so alles im Haar kleben hatte. Und sie hat nie zugelassen, dass ihr das Zeug
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