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Liebe läßt alle Blumen blühen

Liebe läßt alle Blumen blühen

Titel: Liebe läßt alle Blumen blühen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gedrängt und mußte jetzt die Folgen tragen. »Ich fahre! Aber das sage ich Ihnen: Bis zum Mittag ist der ganze Spuk vorbei! Den Krankenwagen bringe ich gleich mit.« Sie drehte sich um, verließ die Mühle und knallte hinter sich die Tür zu.
    Lulu blickte betroffen auf und zog einen entzückenden Schmollmund. Natürlich hatte sie die in deutscher Sprache geführte Unterhaltung nicht verstanden, wohl aber Kathinkas scharfen Ton. Jeder andere Mann wäre sicherlich aufgesprungen, hätte sie tröstend an sich gezogen und sanft gestreichelt. Es kostete Zipka eine heldenhafte Überwindung, seinem männlichen Beschützer- und Trösterdrang nicht nachzugeben.
    »Madame ist böse«, klagte Lulu mit ihrer kindlichsten Stimme, in deren Hintergrund ein Schluchzen zu hören war. »Warum? Waren die Eier zu scharf?«
    »Diskutieren wir nicht jetzt über scharfe Eier, Lulu«, sagte Zipka mit belegter Stimme. »Es geht um Kopf und Kragen! Sie müssen einfach ihre Erinnerung zurückgewinnen. Du lieber Gott, strahlen Sie mich nicht so an mit Ihren blauen Azuraugen – wir könnten alles mit einem Schlag lösen, wenn Sie sich nur einen Funken erinnern könnten! Sollen wir mal üben?«
    »Ja. Üben wir …«
    Lulu legte sich auf die Couch zurück und streckte die schlanken Beine von sich. Draußen heulte der Motor auf. Kathinka preschte der Straße zu …
    »Um Mißverständnissen vorzubeugen. Lulu: Ich frage!«
    »Bitte, Monsieur Louis.«
    »Also – Sie hatten doch Vater und Mutter?«
    »Sicherlich.«
    »Und Oma und Opa, Tanten und Onkels – was sagten die zu Ihnen?«
    »Lulu …«
    »Und weiter?«
    »Pupette …«
    »O Gott! Ich will nicht wissen, daß Sie früher Püppchen genannt wurden! Sie hatten doch noch einen Nachnamen? Wenn man Sie fragte, Lulu: ›Wie heißen Sie?‹ Was haben Sie da geantwortet?«
    Die Fremde legte den Kopf zur Seite, starrte ins Leere und schien im Nebel ihrer versunkenen Erinnerung zu suchen. Zipka wagte nicht zu atmen. Er spürte, daß ein entscheidender Augenblick gekommen war.
    »Ich weiß es doch nicht …«, jammerte sie schließlich kläglich. »Warum helfen Sie mir nicht?«
    »Können Sie sich an ein Haus erinnern, an Personen, an Gegenstände aus Ihrem Leben? An Tiere?«
    Über Lulus Puppengesicht flog ein Leuchten. »Wir hatten einen Hund …«
    »Fabelhaft!«
    »Er hieß Wurstl …«
    »Das klingt nach Oberpfaffenhofen.«
    »Wurstl war groß und zottig – ein korsischer Hirtenhund.«
    »Ich gebe es auf, Lulu!« Zipka verbarg sein Gesicht in den Händen. So kommen wir nie weiter, dachte er. Nicht mit Schnelligkeit. Hier muß man Geduld haben, viel Geduld und viel Zeit. Aber gerade Zeit hatte er nicht mehr. In drei Stunden konnte Kathinka mit Sergeant Andratte zurück sein. Und mit ihnen der Krankenwagen, der Lulu in ein Hospital bringen würde, wo man sie in einen Raum zu anderen Geisteskranken sperren würde. Eine abscheuliche Vorstellung! Ein Raum ohne Klinke an der Tür. Gitter vor dem Fenster. Ausgestoßen aus der menschlichen Gesellschaft. Ein Körper nur noch – mit niedrigen Funktionen …
    Ob wohl dort, in der Gemeinschaft des Untergangs, die Erinnerung wiederkehrte?
    »So geht es nicht«, sagte Zipka rauh. »So nicht, Lulu! Ich habe Sie gefunden, ich fühle mich jetzt auch verantwortlich für Sie. Haben Sie keine Angst. Ich bin bei Ihnen …«
    Es dauerte keine zwei Stunden, da hörte Zipka sie kommen. Er trat vor die Mühle und sah zunächst den Sergeanten Andratte, der auf einem knatternden Motorrad durch die Schilflandschaft hüpfte und Mühe hatte, die Balance nicht zu verlieren. Es war das Motorrad von François Dupécheur, ein uraltes Ding, das böse fauchte, wenn man es antrat, und das auch noch andere Tücken hatte. Zum Beispiel den Drehgriff: Man konnte ihn bis zum Anschlag drehen, und es geschah nichts. Aber plötzlich besann sich das alte Biest von Motorrad, vollführte einen Luftsprung und raste mit Vollgas davon. Wer das nicht kannte, flog im hohen Bogen herunter. Dupécheur selbst war auf diese Art von seinem eigenen herrenlosen Motorrad überfahren worden und mußte drei Wochen das Bett hüten. Sergeant Andratte wußte von diesen Tücken, aber trotzdem lieh er sich immer wieder, wenn es dringend war, von François das Höllenfahrzeug – gewissermaßen aus Protest gegen die Sturheit der Behörden von Arles, ihm keinen Dienstwagen zu genehmigen.
    Auch heute fegte er über Land, klammerte sich an der Lenkstange fest und betete innerlich, daß im richtigen Augenblick

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