Liebe läßt alle Blumen blühen
hat ›mein Mann‹ gesagt?« fragte Zipka harmlos.
Der ahnungslose Dr. Bombette nickte. »Stimmt das etwa nicht?«
»Aber natürlich stimmt das! Ich habe das Mädchen gerettet. Aber meine Frau hatte das Schreien zuerst gehört.« Zipka betonte ›meine Frau‹ besonders, und Kathinka stieß am Herd zwei Töpfe gegeneinander. »Ja, sie hat ein fabelhaftes Gehör – meine Frau!«
Sergeant Andratte beugte sich vor und schnaufte erregt. »Sie hat geschrien? Was schrie sie?« Wenn jemand schreit, so fällt das in den Zuständigkeitsbereich der Polizei. Andratte war glücklich, daß endlich die Stille seines Bezirks durch einen Schrei und eine anscheinend irre Person gebrochen wurde. »Berichten Sie, Monsieur!«
»Sie hat ›Hilfe, Hilfe!‹ geschrien. Als ich sie endlich fand, in diesem verrotteten Boot, das wie durch ein Wunder überhaupt noch schwimmen konnte, war sie bereits ohnmächtig. Als sie dann später aufwachte, hatte sie ihr Gedächtnis verloren.«
»Total?« fragte Bombette sofort interessiert.
»Völlig! Sie behauptete, aus Oberpfaffenhofen auf Korsika zu stammen.«
»Aha!« machte Dr. Bombette. »Und?«
»Und? Ist das nicht genug?«
»Zumindest erinnert sie sich daran, woher sie stammt. Das ist schon ein Fortschritt.« Dr. Bombette lehnte sich zurück. »Ein Lichtstrahl im Dunkel. Aus Korsika …«
»Oberpfaffenhofen liegt aber in Deutschland, in der Nähe des Ammersees! Wenn man von der Lindauer Autobahn abbiegt nach Wessling …«
»Sind Sie sicher?« fragte Andratte, dienstlich knapp.
»Ganz sicher! Diese Strecke fährt mein Auto praktisch allein, so gut kennt es die Straßen.«
»Dann kann die Kranke doch nicht von Korsika stammen!« stellte der Arzt wichtig fest.
»Das sage ich ja! Und für eine Deutsche spricht sie auch viel zu akzentfrei französisch! An diesem Rätsel kaue ich ja herum, meine Herren. Wie kommt ein Mädchen aus Korsika ausgerechnet auf Oberpfaffenhofen?«
»Eine vollkommene Bewußtseinsspaltung!« Dr. Bombette leerte sein Kognakglas und hielt es so lange hoch, bis Zipka verstand und nachgoß. »Die medizinische Literatur erwähnt eine Reihe solcher Phänomene, ohne sie erklären zu können. Da gab es einmal eine Frau, die nach einem Sturz vom Fensterbrett – sie putzte gerade Fenster – assyrisch sprach! Begreifen Sie das? Sie sprach fließend eine Sprache, die seit über 3.000 Jahren keiner mehr kennt! Was ist dagegen Ihr Oberpfaffenhofen? Zu schade, daß Sie dieses neue Phänomen der medizinischen Wissenschaft haben weglaufen lassen, Monsieur.«
»Wir werden das Mädchen sofort suchen!« Sergeant Andratte erhob sich ächzend. »Zu Fuß kann man nicht weit kommen, nicht hier im Etang-Gebiet.« Er setzte sein Käppi auf und wurde damit zur rein dienstlichen Erscheinung. »Fangen wir mit dem Boot an. Führen Sie uns bitte an die Stelle, Monsieur.«
Zipka nickte. Er blickte in die Küchennische, wo Kathinka an einer der Holzsäulen lehnte. »Kommst du auch mit, Schätzchen?«
»Wie bitte?« zischte sie und zog ihr Kinn an.
»Willst du uns nicht begleiten, mein Liebling? Frauen sind oft die besseren Detektive. Mit ihrem Instinkt spüren sie …«
Sie warf den Kopf in den Nacken, zog den Schal fester um den Hals und verließ wortlos die Mühle. Dr. Bombette schaute ihr nach und blinzelte dann Zipka zu. »Madame ist schlecht gelaunt?«
»Das Mädchen, das wir gefunden haben, ist sehr hübsch, Doktor …«
»Haha! Das erklärt vieles!«
Der Doktor war ein guter Psychologe. Er zwinkerte Zipka von neuem zu, ließ den Sergeanten vorausgehen und hielt Zipka am Ärmel fest. Wie ein Verschwörer rückte er näher. »Wie alt?« fragte er leise.
»Anfang Zwanzig wohl …«
»Typ?«
»Püppchen! Weißblondierte Haare, Schmollmündchen! Alle Rundungen ideal dosiert.«
»Und sie ist wirklich krank?« Dr. Bombette sah Zipka fragend an. »Wir sind unter uns, Monsieur …«
»Doktor, ich schwöre Ihnen: Ich habe das Mädchen heute nacht aus dem Schilf gezogen und es vorher nie gesehen! Und als die Kleine den Mund aufmachte, kamen die verworrenen Dinge heraus.«
»Und trotzdem platzt Madame vor Eifersucht?«
»Ja, das ist für mich die größte Überraschung, Doktor.«
»Warum? Haben Sie etwas anderes erwartet? Madame liebt Sie …«
»Wenn Sie es sagen …«
»›Sie muß weg, sofort weg!‹ hat sie gerufen, nachdem sie mir in kurzen Worten den Fall geschildert hatte. Schon da dachte ich mir: Der Findling muß sehr hübsch sein. Armen Kranken gegenüber reagiert man
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