Liebe läßt alle Blumen blühen
wenigen Minuten vollendet sich das Drama …«
Zunächst aber trat der Pressefotograf von neuem in Aktion. Er war der einzige Fotograf, den Sergeant Andratte in Arles benachrichtigt hatte. Diese Exklusivität der Berichterstattung verdankte der Fotograf dem Zufall, daß er mit einem Mädchen in einem eheähnlichen Verhältnis zusammenlebte, das die Tochter von Andrattes Schwester, also die Nichte des Sergeanten war.
Dementsprechend stellte der Kameramann den Onkel nun heraus und garantierte eine Reportage, die den Namen des Sergeanten Andratte in aller Munde legte.
Der Froschmann Alain posierte am Boot, ehe er einstieg und in den Etang hinausruderte. Das Blitzlicht zuckte mehrmals auf, Kommissar Flacon massierte mit beiden Händen seine Glatze. In seiner Begleitung befanden sich drei Herren, die vorsorglich einen reichlich engen Zinksarg mitgebracht hatten. Alle rauchten hastig.
Die Luft war mit Dramatik geladen. Zipka zuckte unwillkürlich zusammen, als er hinter sich lautes Schluchzen hörte. Es war Madame Florence Dupécheur, die ihre Erschütterung nicht länger verbergen konnte. Während sie unentwegt Weißbrotschnitten mit Ziegenkäse belegte, weinte sie hemmungslos.
Dr. Bombette sprang vom Trittbrett des Feuerwehrwagens und griff nach seiner Arzttasche. »Kommen Sie mit, Monsieur?« fragte er Ludwig Zipka.
Kathinka, die bisher geschwiegen hatte, stieß Zipka in die Seite. »Müssen wir nicht ins Haus?« fragte sie, und ihre Stimme verriet Besorgnis.
»Warum?«
»Ich denke – du weißt schon …«
»Keine Sorge!« Er lächelte verschmitzt. »Im Haus brennt uns nichts an. Aber eines interessiert mich brennend: Wer hat den morschen Kahn in den See hinausgefahren und dort versenkt?«
»Vielleicht der Wind …«
»Unmöglich. Das Boot war so fest im Schilf verklemmt, daß es ohne fremde Hilfe nicht freikommen konnte. Schatz, davon verstehe ich als Angler etwas. Irgend jemand muß den Kahn hinausgeschoben haben. Lulu war es auf gar keinen Fall.«
»Du meinst, daß …« Kathinkas Augen wurden groß. »Das würde bedeuten, daß …«
»Keine Vermutungen zunächst, bitte. Auf jeden Fall sehe ich mir den Kahn an, wenn sie ihn bergen.«
»Alain ist über der fraglichen Stelle!« rief neben ihnen Dr. Bombette aufgeregt. »Der verdammte Zeitungsmensch! Dauernd fotografiert er nur Alain und Andratte! Ich muß hin. Pardon, Madame …«
Er nahm seine Tasche unter den Arm und lief zum Ufer hinunter.
Der Fotograf knipste durch ein Teleobjektiv und ließ, um bessere Beleuchtung zu haben, den Froschmann von zwei Scheinwerfern zusätzlich anstrahlen. Ein imposantes Bild, das sogar einen leicht künstlerischen Einschlag hatte. Jetzt begrüßte Kommissar Flacon den Arzt – obwohl sie schon seit Stunden zusammen waren – und rief dem Pressemann entsprechende Anweisungen zu.
Die nächsten drei Fotos waren der Kriminalergruppe vorbehalten. Dr. Bombette stellte sich in Positur, attraktiv neben dem geöffneten Zinksarg der Polizei, die Arzttasche deutlich in der rechten Hand, im Gesicht sowohl verhaltene Trauer als auch die Überlegenheit eines durch nichts zu erschütternden Mediziners zur Schau tragend. Etwas abseits, bisher nicht fotografiert, stand ein großer, schlanker eleganter Herr und unterhielt sich mit Sergeant Andratte. Er trug einfache blaue Jeans und hohe Gummistiefel, wie sie Angler in Wildbächen tragen, die auf Lachse stehen. Die Stiefel gingen über in eine weite Gummihose und einen Gummilatz, ein durch und durch wasserdichter Anzug, wenn man nicht gerade im See umfiel. Auf dem Kopf trug der Herr eine verbeulte ausgeblichene Mütze.
Zipka musterte ihn und fand ihn, aus der Anglerperspektive gesehen, irgendwie sympathisch. Ein Mann in einer solchen zünftigen Aufmachung beanspruchte wohl freundliche Aufmerksamkeit. Angler besitzen so etwas wie Familiensinn. Es war offensichtlich, daß der Herr ins Wasser waten wollte, um bei der Bergung der Leiche behilflich zu sein. Zipka legte den Arm um Kathinka und zog sie mit sich fort. Alain stürzte sich kopfüber ins Wasser. In dem Scheinwerferlicht sah er wie ein riesiger schwarzer Fisch aus, was natürlich auch fotografiert wurde.
Langsam füllte sich nun auch der Vorplatz der Mühle, und es trat ein, was Dupécheur vorausgesagt hatte: Ganz Mas d'Agon war auf den Beinen und rückte mit Mopeds, Fahrrädern, Kombiwagen und sogar zu Pferde an. Man umlagerte das Büffet von François, trank den Pinot noir und diskutierte über die Tragik, die so plötzlich
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