Liebe läßt alle Blumen blühen
über ihren Etang gekommen war.
Als letzter erschien mit einem Meßdiener der Pfarrer des Ortes, der ehrwürdige, dicke, seit Jahrzehnten infarktgefährdete Valérie Ortège, der behauptete, das Wunder seines Weiterlebens sei allein einem Landwein zu verdanken, den er aus der Provence bezog. Ein frischer hellgelber Wein, der sein Herz jubeln ließ.
Pfarrer Ortège rollte auf seinen kurzen Beinen zum Ufer, begrüßte den Kommissar Flacon, drückte Dr. Bombette die Hand – jedenfalls so lange, bis auch dieses Foto geblitzt war – und faltete seine Hände über dem gewaltigen Bauch.
Sergeant Andratte stellte nach einem kurzen Rundblick fest: Was man tun konnte, war getan! Feuerwehr, Froschmann, Kriminalpolizei, Arzt und Pfarrer. Solches Organisationstalent mußte selbst in Arles gelobt werden.
Der Herr in Gummihose und Anglerhut zog den letzteren, als er Zipka und Kathinka auf sich zukommen sah. Sergeant Andratte breitete die Arme aus wie eine Mutter, der die Kinder entgegenlaufen. »Da sind Sie ja endlich, Madame, Monsieur!« rief er dröhnend. »Sie kommen im richtigen Augenblick. Gleich haben wir die Tote!«
»Zipka!« sagte Zipka und deutete eine Verbeugung an. »Louis Zipka. Das ist meine Frau Catherine …«
Der elegante Herr hob Kathinkas Hand bis einen Millimeter vor seine Lippen, hauchte kurz darüber und antwortete in der unnachahmlichen Art eines französischen Kavaliers: »Ich bin entzückt, Madame! So traurig der Anlaß ist – mit Ihnen fällt ein wenig Sonne auf die tragische Stunde. – De Formentiére. Raoul de Formentiére!«
»Marquis de Formentiére«, verbesserte Andratte stolz. Die Deutschen sollten ruhig wissen, in welchem gesegneten Landstrich sie Urlaub machten. Hier wohnte sogar ein Marquis … Zipka revidierte insgeheim nach dieser Begrüßung sein familiäres Anglerurteil. Ein gelackter Affe, dachte er. Billige, tönende Komplimente! Reinste Show!
Aber Kathinka schien es zu gefallen. Sie warf dem Marquis ein Lächeln zu, das jeden Mann bis in die Kniekehlen kitzeln mußte. Raoul fing dieses Lächeln auf und behielt Kathinkas Hand in der seinen. »Ich hörte, Sie haben die Mühle gemietet«, sagte er. Er nickte dabei Zipka zu, um ihm das Gefühl, übersehen zu werden, zu nehmen. »Dazu gehört zweifellos Mut.«
»Nur etwas Phantasie!« antwortete Zipka.
»Ich bitte Sie!« Aber Raoul ließ endlich Kathinkas Hand los, legte dafür seine andere Hand dramatisch aufs Herz. »Jeder hier weiß, daß es in der Moulin St. Jacques spukt. Seit Generationen macht man einen großen Bogen um sie. Selbst die Herren vom Denkmalschutz haben ihr Interesse verloren und die Mühle zum Verfall freigegeben, nachdem sie zwei Nächte dort verbracht hatten. Aus allen Ritzen drang helles Stöhnen …«
»Stimmt!« Zipka zeigte seine Zähne. »Wir haben es auch erlebt. Der Wind pfeift einfach überall durch.«
»Und der Kopf, der durch das Zimmer rollt?«
»Der ist uns noch vorenthalten worden. Dafür bekamen wir ein Mädchen mit einer Bewußtseinsspaltung beschert.«
»Sehen Sie!« Raoul de Formentiére sah Kathinka mit echter Besorgnis an. »Es setzt sich fort. Nur die Mittel werden moderner.«
»Ja, es ist tatsächlich erstaunlich, wie sich die Geister dem jeweiligen Trend anpassen.« Ludwig Zipka legte seinen Arm um Kathinka. Halt, Herr Marquis, sollte das heißen, der Besitzer dieses Wunders von Frau bin ich! Sie können Ihren Charme hektoliterweise versprühen – ich stehe immer dazwischen und fange die Dusche aus Süßholzraspelei auf! »Es ist nur so, Marquis, daß wir gar keine Angst haben. Sollte der Kopf wieder einmal durchs Zimmer rollen, werde ich das als Aufforderung zum Fußballspielen betrachten.«
»Man sollte aber doch Madame solche Aufregungen ersparen.« Der Marquis warf einen Blick über den See, wo Alain, sein Chauffeur, gerade auftauchte und erregt mit der rechten Hand wedelte. Nichts, hieß das. Dann tauchte er wieder unter. Pfarrer Ortège schien ein Gebet zu sprechen, denn Kommissar Flacon, die drei Begleiter und sogar Dr. Bombette machten sonntägliche Gesichter. Vor der Mühle wurde es jetzt volksfesthaft laut – der Wein zeigte erste Wirkungen, Dupécheur zapfte ein zweites Fäßchen an.
»Madame ist ebenso mutig«, sagte Zipka mit höhnischem Unterton. »Uns gefällt die Mühle. Wem gehört sie?«
»Warum?«
»Wenn wir uns daran gewöhnt haben, würden wir sie vielleicht kaufen.«
»Die Mühle gehört dem Staat!« erklärte Andratte wichtig. »Die Verwaltung liegt
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