Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
schlicht und rustikal, sodass die alten viktorianischen Kamine und die Stuckdecke voll zur Geltung kommen. Das Gebäude hat eine atemberaubende Außenfassade, man erwartet unwillkürlich, dass die beiden Etagen über dem Pub ähnlich beeindruckend sind. Vorausgesetzt, sie wurden in Schuss gehalten. Wir gehen eine schmale, wacklige Treppe hoch und dann wieder durch eine Tür.
»Oh!«, flüstert Wendy. »Geile Hütte.«
Ich sage keinen Ton, sondern lächle nur still vor mich hin. Vor uns erstreckt sich ein großer, offener Raum. Auf der einen Seite steht ein langer Holztisch mit Stühlen, die andere Seite wird von zwei großen braunen Ledersofas eingenommen. Hier herrscht derselbe schlichte Stil wie unten im Pub, es ist nur behaglicher. An der einen Wand hängt eine Sammlung eingerahmter Fotos, alle in unterschiedlichen Größen, und an der anderen Wand steht ein riesiger Bücherschrank, der vom Boden bis zur Decke reicht. Wendy schlendert hinüber, um die Fotos zu betrachten, während ich zu den Büchern gehe, um zu sehen, ob ich den Fünfjahresplan entdecke. Ich weiß, das ist albern.
»Oh, bist du das, Freddie? Das pausbäckige kleine Baby hier?«, gurrt Wendy.
Freddie stellt sich neben Wendy vor die Bildergalerie, und ich beobachte die zwei mit offenem Mund. Wendy hat gerade in Freddies Gegenwart einen vollständigen Satz herausgebracht mit allen Wörtern in der richtigen Reihenfolge. Ich muss den beiden etwas Raum geben. Ich kehre dem Bücherschrank den Rücken zu und gehe hinüber in die Küche. Die lässt keine Wünsche offen. Ich bin halt Maklerin. Eine Wand wird gesäumt von großen Einbauschränken, und es gibt einen richtigen Kaffeeautomaten und große Kupfertöpfe. Ich stelle mir vor, wie ich am Tisch sitze, Wein trinke und plaudere, während Anton für mich Coq au Vin zubereitet. Auf dem Tisch steht sogar eine gesund aussehende Topfpflanze. Ich muss daran denken, meine Blumen zu gießen, wenn ich nach Hause komme.
»Freddie, sind die Schlafzimmer ganz oben?«
»Ja, genau.«
»Darf ich mich dort mal umsehen? Sorry, alte Maklerkrankheit. Die Wohnung ist einfach super.«
»Mach ruhig, aber auf eigene Gefahr«, sagt er mit einem breiten Lächeln.
Ich gehe zurück zu der wackligen Treppe und steige die letzten Stufen hoch, sie knarren unter meinen Füßen. Oben durchquere ich langsam einen Flur mit drei geschlossenen Türen. Ich werfe einen Blick in das erste Zimmer, das wohl Freddie gehört. In den Regalen stapeln sich juristische Fachbücher, das große Bett ist ungemacht, in einem Doppelkleiderschrank hängen lauter Hemden.
Ich öffne die nächste Tür und finde das Badezimmer, aber es ist kein gewöhnliches Badezimmer. Erstens ist es riesig, und zweitens wurde viel Geld hineingesteckt. Die Mitte des Raums wird von einer großen, frei stehenden Badewanne dominiert, außerdem gibt es zwei Waschbecken, über denen ein antiker Spiegel hängt, und eine Luxusdusche, die so groß ist, dass man darin breakdancen kann, wenn man das Bedürfnis hat. Genau so würde ich mein Bad einrichten, wenn Geld keine Rolle spielte.
Ich öffne die letzte Tür und sehe einen großen quadratischen Raum, der Antons Schlafzimmer sein muss. Ich habe das Gefühl, ich sollte mich nicht darin aufhalten, aber es widerstrebt mir, wieder rauszugehen. Ein riesiges Bett aus Holz mit einem lederbezogenen Kopfteil und weißer Bettwäsche thront mitten im Raum, die eine Seite des Zimmers wird von einer großen Schrankwand, deren Türen geschlossen sind, eingenommen. Hier im Raum hängen nur drei Bilder. Eins davon ist eine großformatige, eingerahmte Fotografie von einer hübschen jungen Frau. Das Bild ist körnig und hat einen gelblichen Stich, was mich vermuten lässt, dass das Original aus den Siebzigern stammt. Das zweite Bild ist ein Porträt der Farbe Rot. In wörtlichem Sinne. Es besteht aus unterschiedlichen Schattierungen von Orange über Rot bis hin zu Violett. Und das dritte Bild ist die Bleistiftzeichnung, die ich ihm geschenkt habe. Er hat sie bereits aufgehängt.
Mein Hintern beginnt zu vibrieren, als mein Handy klingelt. Ich ziehe es aus meiner Hosentasche. Es ist 23.23 Uhr, und meine Mutter ruft an.
»Mum, alles in Ordnung?«
»Grace, das muss ich dir unbedingt erzählen. Ich lag schon im Bett und war gerade im Begriff einzuschlafen, als dein Vater wieder vor mir stand. Er hat zu mir gesprochen, und er klang sehr bestimmt. Er hat gesagt: ›Grace muss wieder singen.‹«
»Oh«, sage ich traurig. Ich war heute
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