Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
was?«
»Sie erinnern sich sicher an den Tag …«
»O ja, sicher. Wie könnte ich den Tag vergessen.« Ich rolle mit den Augen. »Vielleicht könnten Sie etwas konkreter werden.«
»Sie haben auf offener Straße einen Mann, der im absoluten Halteverbot stand, als mieses Schwein beschimpft.«
»Das hilft mir ehrlich gesagt nicht wirklich weiter.«
»Ein großer Geländewagen. Mit einem Firmenlogo auf der Seite.«
»Ja, jetzt weiß ich, worauf Sie anspielen.«
»Sie brauchen mir nichts zu erklären, ich möchte Ihnen nur helfen. Falls Ihnen jemand Ärger bereitet, kann ich vielleicht etwas für Sie tun. Ich wollte Ihnen meine Hilfe schon früher anbieten, aber dann waren Sie in Wales und so weiter …«
»Oh, okay, danke.« Ich schiebe meinen Teller weg. »Diese Baufirma plant hier in der Nähe eine neue Wohn- und Einkaufssiedlung. Dafür muss eine Zugangsstraße gebaut werden, was bedeutet, dass eine Ecke von dem großen Friedhof direkt gegenüber abgezwackt werden muss. Mein Vater ist dort begraben, und nun soll sein Grab ausgehoben werden.«
»Ist das Ihr Ernst? Die wollen das Grab Ihres Vaters überbauen? Das ist ja pietätlos.«
»Ja, John, das ist es.«
»Ich glaube das nicht.«
»Es ist aber wahr. Die Angehörigen werden mit hohen Schadensersatzsummen geködert. Selbst meine Mutter hat ihre Einwilligung gegeben. Es gibt allerdings ein reizendes älteres Paar, das sich tapfer dagegen wehrt, und ich glaube, ich konnte auch meine Mutter zur Vernunft bringen. Na ja, soweit es möglich ist, meine Mutter zur Vernunft zu bringen.«
»Verstehe. Und dieses ältere Paar ist nicht auf das Geld angewiesen?«
»Nein«, sage ich und sehe ihn an, als wäre er dämlich. »Es gibt wichtigere Dinge als Geld.«
»Tut mir leid, Grace. Ich hatte nicht die Absicht …«
»Nein … es ist nur … es ist einfach schrecklich. Schrecklich.«
»Manche Menschen denken leider nur an ihren Profit.«
»Ich weiß«, seufze ich.
»Grace, das tut mir wirklich leid«, sagt er freundlich. »Ich habe meine Mutter verloren. Ich wüsste nicht, was ich täte, wenn man ihr Grab überbauen wollte.«
Ich nicke, belasse es aber dabei. Besser, sich nicht auf diese hitzigen Gespräche über tote Eltern einzulassen.
John lächelt, als würde er verstehen, und ich lächle zurück. Ich habe nicht einmal Lust, gemein zu ihm zu sein. Er beugt sich über den Tisch und nimmt meine Hand. Das erinnert mich an seine Umarmung, kurz nachdem ich mich draußen vor dem Italiener übergeben hatte. Seine großen, feinen, Badminton spielenden Hände und Arme haben etwas an sich, das nicht so abstoßend ist, wie ich erwartet hätte. Obwohl, um die Wahrheit zu sagen, Posh Boy scheint nicht sehr begeistert zu sein von unserer Berührung. Tatsächlich rümpft er die Nase, und nun zieht er seine Hand weg und wischt sie an einer Serviette ab.
»Oh, sorry. Habe ich noch Soße an den Fingern?«
»Bah!« Er nickt. »Ich kann gebackene Bohnen nicht ausstehen.«
»Wie kann man keine Bohnen mögen?«
»Ich bin einfach kein Fan von Bohnen, obwohl ich eine Vorliebe für Kichererbsen habe.«
»Oh«, sage ich und muss unwillkürlich an mein Dilemma denken. »Momentan habe ich es nicht so mit Kichererbsen.«
40
Dieses Dingda wird mich jede Menge Arbeitszeit kosten. Heute Morgen habe ich bereits fünfzig Minuten im Büro verpasst, von denen ich den Großteil im Wartezimmer verbracht habe, wo ich gezwungen war, auf ein Info-Plakat über Chlamydien zu starren, weil es direkt an der gegenüberliegenden Wand hing. Offiziell habe ich einen Außentermin. Angebliche Besichtigungen sind ein nützliches Instrument in der Immobilienbranche.
»Ich habe einen Besichtigungstermin auf der Chetwynd Road«, sagt man und fährt stattdessen in eine Drogerie, um Tampons zu kaufen.
Nicht, dass ich zurzeit welche brauchen würde dank dieses verheerenden Verkehrsunfalls – im deprimierend wahrsten Sinne des Wortes. Außerdem muss ich vorsichtig sein mit angeblichen Besichtigungen, seit ich Schleimi gegenüber versehentlich die Spielenachmittage erwähnt habe, die die Kollegen in einer unserer Filialen regelmäßig veranstalteten. Als er Nachforschungen anstellte, warum die Filiale in Notting Hill den Immobilienboom zu verschlafen schien, ging ich davon aus, dass er von dem Zockersyndikat wusste, das sich regelmäßig online im William Hill Casino herumtrieb. Ich nahm an, dass jeder darüber Bescheid wusste. Aber das war ein Irrtum. Schleimi rastete aus, als ich es erwähnte, und
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