Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
anderen Standardtänze, weil ich im Tanzsaal vom Fläschchen entwöhnt wurde und an Tanzkursen teilnahm, sobald ich laufen konnte. Als Kind liebte ich das Tanzen, aber dann entdeckte ich die Musik, und von da an zog es mich instinktiv zum Gesang. Das Singen war mir nie peinlich.
Songs … Gott, sie können perfekt sein. Ein einfacher Song, dreieinhalb Minuten lang Instrumente und Gesang, mehr nicht. Aber diese dreieinhalb Minuten können einem die Welt in ihrer ganzen Schrecklichkeit oder Herrlichkeit zeigen – sie können einen zu Tränen rühren oder einen in der Küche zum Tanzen animieren. Sie können Gefühle heraufbeschwören, von denen man nichts ahnte, oder Sehnsüchte, die tief in einem schlummern. Ich weiß, ich höre mich an wie ein Vollidiot, aber ich habe zu viele Stunden damit verbracht, mit vor Staunen großen Augen zu lauschen, während ich dasselbe Stück wieder und wieder abspielte, um nicht wie ein Vollidiot zu klingen, wenn es um Musik geht.
Bei unseren gemeinsamen Morgenstunden im Bad haben Dad und ich uns Hunderte von Songs angehört, und ich habe jedes Mal diese atemlose Spannung in dem kurzen Moment zwischen dem Drücken der zentimeterbreiten Taste des Kassettenrekorders und dem ersten Ton gespürt. Wie würde das Lied beginnen? Mit einer Gitarre? Mit Gesang? Dem Schlagzeug?
Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu lange im Bad bleibe. Ich bin es gewohnt, dass Dannys Blase meine Morgenansprache abkürzt, aber nun gibt es nichts, was mich daran hindert, weiterzuquasseln und zu spät zur Arbeit zu kommen. Ich schließe die Augen in der Hoffnung auf einen musikalischen Geistesblitz. Fehlanzeige. Stattdessen höre ich, dass jemand an meine Wohnungstür klopft. Ich rühre mich nicht vom Fleck, lasse die Augen geschlossen und bleibe zusammengekauert auf dem Toilettendeckel sitzen, während ich überlege, ob ich aufmachen soll. Bei meinem Glück ist es jemand, der sagt »Tut mir leid, dass ich störe, aber gehört Ihnen der Nissan Micra da draußen, den ich gerade zu Schrott gefahren habe?«
»Grace«, sage ich streng. »Geh an die Tür. Du darfst nicht alles so schwarz sehen. Du musst daran glauben, dass auch wieder bessere Zeiten kommen.« Ich schnappe nach Luft. Vielleicht ist Danny zurückgekommen! Ich laufe schnell die Treppe hinunter.
Als ich vor meiner Wohnungstür zum Stehen komme, halte ich mir vor Augen, dass die Chance, dass es Danny ist, ungefähr bei null liegt. Ich setze eine Leidensmiene auf, bevor ich die Tür öffne – immer nützlich bei Leuten, die mir was verkaufen, mich befragen oder Spenden sammeln wollen.
»Grace.«
Mein Gesicht entspannt sich zu einem Lächeln. Es ist vielleicht nicht Danny Saunders, aber einer meiner Lieblingsmenschen. Anton.
»Es tut mir schrecklich leid wegen gestern Abend.«
»Nein. Nein. Nein. Ich bin hier, um mich bei dir zu entschuldigen. Ich habe dich gestern in Verlegenheit gebracht. Ich … äh … Ist alles wieder in Ordnung?«
»Ja. Ich hatte gestern nur einen kleinen Ausraster. Das ist eine lange Geschichte. Es tut mir wirklich leid.«
Er lächelt. Ich lächle. Ich liebe diesen Mann.
»Hier, als ein Zeichen der Entschuldigung«, sagt Anton und gibt mir einen Teller, auf dem ein Bacon-Sandwich liegt.
»Oh, vielen Dank!«
»Gern geschehen.«
»Isst du morgens immer ein Bacon-Sandwich?«
»Nein, obwohl ich das gern tun würde. Nur wenn ich früh aufstehe und mit Keith eine große Runde gehe, genehmige ich mir hinterher eins zur Belohnung.«
»Tja, danke jedenfalls. Und was ist das?«, frage ich und ziehe eine Plastikhülle mit einer CD heraus, die zwischen dem halbierten Sandwich steckt.
»Das ist noch ein Geschenk zur Wiedergutmachung. Ich weiß ja, dass du kein Radio hörst wegen der zufälligen Auswahl, und ich weiß, dass du die Klassiker liebst so wie ich. Also habe ich mir gedacht, dass du nicht viel moderne Musik kennst, die ähnlich gut ist. Deswegen habe ich für dich eine CD mit modernen Klassikern, wie ich sie nenne, gebrannt. Ich habe die Titel und Interpreten draufgeschrieben, damit dir die Auswahl nicht zu wahllos vorkommt.«
Er gibt mir Songs. Das perfekte Geschenk. Ich starre auf die CD .
»War das falsch von mir?«
Ich gebe keine Antwort.
»Ist dir das unangenehm?«
Ich sehe ihn an und blinzle.
»Äh …« Ich schlucke. »Das ist das netteste Geschenk, das ich bekommen habe.« Ich kann nicht »jemals« sagen, aber ich kann mit Überzeugung hinzufügen »in den letzten zehn Jahren«, was ich auch tue.
»Gut.«
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