Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
graust, andererseits, weil ich viel um die Ohren hatte, seit Danny mir so ein kompliziertes Abschiedsgeschenk hinterlassen hat. Ich nehme wahr, dass John mich interessiert beobachtet.
»Ich komme nachher vorbei. Ich kann jetzt nicht reden.«
Ich gehe nach draußen zu Ricardo.
»Probleme?«
»Das war meine Mutter.«
»Oh, Ihre wunderschöne Mutter. Wie geht es ihr?«
»Nun, sie ist ein bisschen durcheinander. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir unterwegs kurz bei ihr vorbeifahren und ich nach ihr sehe? Normalerweise bin ich nicht so unprofessionell, aber es ist für uns kein Umweg, und wir haben jede Menge Zeit. Haben Sie etwas dagegen?«
»Grace, Ihre Mutter ist wichtiger als Ihre Arbeit oder meine ’aus. Die famiglia ist alles, was wir ’aben«, sagt er und versucht dann, die Beifahrertür meines Wagens zu öffnen.
»Sie sind ein Schatz. Tut mir leid, aber ich fürchte, Sie müssen auf meiner Seite einsteigen. Die Tür ist kaputt. Ich muss sie endlich reparieren lassen.«
Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich nicht auf Ricardos Hintern gestarrt habe, als er auf den Beifahrersitz geklettert ist, aber das kann ich nicht.
Als ich mit Ricardo losfahre, öffne ich das Fenster, um in dem beengten Innenraum des Nissan Micra die Wirkung seines Aftershaves auf eine Frau zu bekämpfen, der leicht übel wird. Ich parke in der Einfahrt und laufe rasch hoch zu Mums Haus, Ricardo lasse ich im Wagen zurück.
»Mildred, was ist hier los?«, rufe ich, als ich die Tür öffne.
»O Grace!«, antwortet Mum aus der Küche. Ich laufe schnell zu ihr und finde sie am Küchentisch, wo sie ein Glas Gin umklammert. Sie steht auf. »Möchtest du auch einen?«
»Nein, Mum, ich bin bei der Arbeit. Ich habe einen Kunden im Wagen. Ist alles okay?«
Ich mustere sie. Sie sieht anders aus. Ihr Gesicht ist leicht gerötet, ihre Augen sind geschwollen, aber das ist es nicht. Sie sieht hübsch aus. Meine Mutter sieht immer hübsch aus, aber nun erkenne ich den Unterschied: Heute sieht sie sexy-hübsch aus. Sie trägt ihre schwarze Sechsachtelhose, ein schwarzes T-Shirt und ein pinkfarbenes Halstuch. Sie sieht aus wie eins der Mädchen aus Grease , die leicht zu haben sind!
»Dieser nette Mann von der Baufirma war wieder hier, und er war unheimlich freundlich. Wir haben uns lange unterhalten. Grace! Das ist eine Menge Geld.«
»Mum!«
»Grace, er war total nett.«
»Total nett! Total nett! Bitte, tu mir das nicht an«, sage ich in Panik.
»Aber Grace, ich brauche das Geld. Er hat gesagt, er gibt mir fünfundzwanzigtausend, einfach so.«
»Mum, tut mir leid, dass ich noch nicht dazu gekommen bin, aber ich werde dir das Geld ganz sicher besorgen.«
»Ich möchte dein Geld nicht annehmen.«
»Aber ich bin deine Familie, und in der Familie hilft man sich gegenseitig. Was man dagegen nicht macht, ist, die Gräber von Angehörigen zu verkaufen.«
Sie senkt den Blick.
»Mum, versprich mir, dass du es dir nicht wieder anders überlegst. Versprich es mir. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder in der Lage sein werde, mit dir zu reden, wenn du die Grabstelle verkaufst. Ich weiß es einfach nicht.«
Ihr Blick bleibt auf den Boden geheftet.
»Hör zu, ich muss wieder los. Es wird alles gut. Ich werde zur Bank gehen und einen Kredit beantragen. Der Kunde, den ich im Wagen habe, ist stinkreich, und das bedeutet eine hohe Provision. Mach dir keine Sorgen, Mum. Wir kriegen das hin.«
Sie hebt endlich den Kopf und bringt ein klägliches Lächeln zustande. Das muss genügen, weil ich jetzt losmuss.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sage ich, als ich wieder in mein Auto steige.
»Grace.« Ricardo dreht sich zu mir und nimmt meine Hand. »Die famiglia geht über alles, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Möchten Sie mit mir darüber reden?«
»Nein, ich möchte Ihnen ein paar Häuser zeigen.«
»Ihre Mutter hat eine wunderschöne ’aus. Was ist mit Ihre Vater?«
»Er ist tot«, erwidere ich.
»Oh, Grace, das tut mir leid. Er wäre bestimmt sehr stolz auf Sie.«
Ich nicke, aber tatsächlich bezweifle ich, dass mein Vater stolz wäre. Ich meine, er würde mich natürlich immer noch lieben, aber er wäre sicher beunruhigt, wenn er mich jetzt sehen könnte. Mein jetziges Ich ist nicht das Ich, das ich hätte werden sollen, wenn man mich als Kind gekannt hat.
»Hm.«
»Dann Ihre Mutter ist einsam und traurig.«
»Ja. Und sie hat finanzielle Probleme. Das ist kompliziert.«
»Aber wenn Ihre Mutter hat Geldprobleme,
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