Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
einem Café auf der piazza und lauschten der Musik. Wir tranken Prosecco und tanzten auf unseren Stühlen. Plötzlich lief mein Vater nach vorne zu der Band und erklärte den Musikern, dass ich Sängerin sei, woraufhin sie mich einluden mitzusingen. Ich sang stundenlang zu ihrer Musik, und sie sammelten an jenem Abend viel Geld ein, das sie mit mir teilen wollten. Ich wollte jedoch nichts davon haben. Ich war einfach nur glücklich, etwas zu tun, das ich liebte und woran andere Menschen auch Freude hatten. Jeder trug ein Lächeln im Gesicht. Immer wenn ich an diesen Tag zurückdenke, sehe ich genau das vor mir: lächelnde Gesichter. Ich war so begeistert, dass ich sicher war, Sängerin werden zu wollen. Als ich in jener Nacht im Bett lag, träumte ich mit offenen Augen davon, dass ich, falls ich den Gesangswettbewerb und den Vertrag mit Sony nicht gewinnen sollte, nach Rom zurückkehren würde, um für den Rest meines Lebens mit dieser Band auf diesem Platz zu singen.
Ricardo lächelt mich an. Das tut er schon den ganzen Abend. Die Erinnerungen an Rom sind so wunderbar, dass es mir gelingt, sein Lächeln zu erwidern, obwohl wir ausgerechnet an dem Tisch sitzen, den Danny und ich früher »unseren Tisch« nannten. Danny und ich waren oft im Paradise, als ich noch zu Hause bei meiner Mutter wohnte. Ungefähr einmal in der Woche ging er mit mir dort essen. Ich mochte diesen Tisch, weil er in der Nähe der Lichterketten steht, Danny, weil er von hier aus leicht den Barkeeper auf sich aufmerksam machen konnte, wenn er noch ein Pint wollte. Wir beide mochten ihn, weil der Platz abseits vom Trubel war und sich zum Knutschen eignete.
»In Italia wir haben eine Sprichwort. Man soll nicht machen swei Dinge auf einmal, oder man hat cacca an die Schuhe«, bemerkte Ricardo, als ich mich zu ihm setzte.
Was immer das auch bedeuten mag, entzieht sich meiner Logik, aber so lautete die Begründung für seine Weigerung, über das Geschäftliche zu reden, bevor wir mit dem Essen fertig sind.
Als Folge davon weiß Ricardo nun weitaus mehr über mich als jeder andere meiner Kunden. Ich habe ihm sogar von Dannys brutaler Trennung erzählt. Ein elementarer Fehler, denn seit Ricardo diese Information besitzt, berührt er mich jedes Mal am Bein oder am Arm, wenn er mit mir spricht.
»Dann sind Sie also aus London?«, fragt er und streichelt meine Schulter.
»Ja, ich bin sogar hier in der Nähe aufgewachsen.«
»Und Ihre famiglia wohnt immer noch ’ier?«
»Äh … ja. Aber nur meine Mutter.«
»Ah, ist sie eine schöne Frau so wie Sie?«
Ein Perverser. Aber er hat sein Besteck weggelegt, also kann ich jetzt wieder Immobilienmaklerin sein.
»Sie ist viel schöner als ich«, sage ich rasch und winde mich sanft aus seiner Umarmung, um meinen DIN -A4-Block herauszuholen und zum Geschäftlichen zu kommen. »Okay, darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, damit ich weiß, was genau Sie suchen?«
»Grace, ich brauche eine ’aus und eine appartamento . Alle beide sollen sein schön. Ich ’abe keine Limit. Das ist alles, was Sie müssen wissen.«
Ich kneife rasch ein Auge zu, als wäre mir ein Insekt hineingeflogen. Noch nie, niemals, zu keiner Zeit habe ich den Satz »Ich habe kein Limit« zu hören bekommen. Nicht ein einziges Mal. Was antwortet man darauf?
»Das ist schön«, ist alles, was mir einfällt.
Er lächelt und nickt. Das ist beispiellos. Das ist viel, viel, viel, viel, viel Geld.
»Also, erzählen Sie mir mehr von sich?«, sagt er und streichelt dieses Mal mein Knie.
»Äh …«, beginne ich. Ich möchte ihm nichts erzählen, abgesehen von »Bitte, nehmen Sie Ihre aufdringlichen Hände von mir weg«, aber die Worte »kein Limit« und der Gedanke an die Provision und an Posh Boys Gesicht, wenn er erfährt, dass ich einen Traumkunden an Land gezogen habe, bewirken, dass ich stattdessen lächle und sage: »Okay, was möchten Sie gern wissen?«
43
Nun, ich gebe zu, ich habe mir ein bisschen etwas darauf eingebildet, dass ich mir einen Superkunden geangelt habe, aber das ist harmlos verglichen mit der Art, wie Posh Boy sich heute aufführt.
Sein bislang einziger Beitrag für unsere angesehene Agentur ist die Organisation des Paintball-Teambuilding-Events. Trotzdem, weit davon entfernt, den Kopf vor Scham hängen zu lassen oder ihn wiederholt gegen eine Regalecke zu hämmern, stolziert er herum, als hätte er den Weltfrieden geschaffen. Ich fürchte, er wird bitterlich enttäuscht werden, wenn er hofft, dass dieser
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