Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis
Erfreulicherweise schien sie weder etwas gegen die Anrufe noch gegen die Blumen zu haben.
Trotzdem, fand Daniel, waren sie noch lange nicht wieder an dem Punkt, an dem sie vor Weihnachten gewesen waren. Sobald die Zeit es zuließ, wollte er alles tun, um das zu ändern.
Vorgenommen hatte er sich das eigentlich schon viel früher, doch dann war ihm die Auseinandersetzung mit den Arbeitern dazwischengekommen. Nach einer Einigung mit dem Gewerkschaftsvorsitzenden war die Sache für Daniel zwar erledigt gewesen. Aber die Arbeiter hatten das wohl anders gesehen und waren nicht bereit gewesen, sich auf den Kompromiss einzulassen. Erst an diesem Nachmittag hatte Daniel schließlich das Problem für beide Seiten zufriedenstellend gelöst und fand endlich wieder Zeit für Lily.
Aber ausgerechnet an diesem Abend hatte die keine Zeit für ihn. In einem ihrer Telefonate hatte Lily erwähnt, dass sie in den nächsten Wochen jeden Dienstag für ihren Neffen als Babysitterin einspringen würde, damit ihr Bruder an den Berichten für Jack Sinclair arbeiten konnte.
Während Daniel am Schreibtisch saß und darüber nachdachte, was er stattdessen an diesem Abend machen konnte, riss ihn das Klingeln seines Handys aus den Gedanken. „Daniel Addison“, meldete er sich.
„Daniel, ich bin ja so erleichtert, dass ich dich erreiche.“
„Hallo Charlotte.“ Weil sie ihn ausdrücklich darum gebeten hatte, nannte er sie schon seit Jahren nicht mehr „Mom“ oder „Mutter“.
„Wir haben ja seit Längerem, um ganz genau zu sein seit Weihnachten, nicht mehr miteinander gesprochen. Darf ich fragen, wann ich wieder einmal mit deinem Besuch rechnen darf?“, fragte sie in dem gespreizten Ton, an den er sich nach einigem inneren Widerstand gewöhnt hatte.
„Heute Abend hätte ich Zeit“, antwortete er. Das war die Gelegenheit, um mit seiner Mutter über die Dinnerparty vor Weihnachten zu sprechen, nach der Lily sich plötzlich zurückgezogen hatte. Der heutige Abend bot sich förmlich dafür an.
„Das wäre ganz wunderbar, Daniel. Soll ich Cook auftragen, ein Gedeck mehr aufzulegen?“
Jetzt verdrehte er bei ihrer gekünstelten Ausdrucksweise doch die Augen. „Sicher, warum nicht.“ Er seufzte.
„Dann erwarte ich dich also um sechs Uhr.“ Wie immer beendete seine Mutter den Anruf, ohne sich zu verabschieden.
Zwanzig Minuten später fuhr er zu dem Haus in der East Battery Street, in dem er aufgewachsen war und das nur eine halbe Meile vom Beauchamp-Haus entfernt lag. Wie unterschiedlich war seine eigene Kindheit im Vergleich zu Lilys verlaufen. Lily war, umgeben von Liebe und Fürsorge, mit mehreren Geschwistern aufgewachsen, die sich alle immer noch nahestanden.
Er hingegen war das Einzelkind einer manchmal unnahbaren Mutter und eines Vaters gewesen, der im Prinzip ein Träumer gewesen war. Die Behauptung, seine Eltern hätten nicht zusammengepasst, war die pure Untertreibung. Daniel hatte nie verstanden, wie die beiden es geschafft hatten, mehr als fünfundzwanzig Jahre lang verheiratet zu bleiben.
Das absolut Wichtigste für Charlotte Beauchamp-Addison war ihr hohes Ansehen innerhalb ihres Freundeskreises, in dem sie sich bewegte. Dagegen hatte George Addison nach dem Motto „Was nicht zu ändern ist, ist eben nicht zu ändern“ eine eher nachlässige Lebenseinstellung gehabt. Manchmal fragte Daniel sich sogar, ob sein Vater absichtlich die Zeichen eines drohenden Herzinfarktes ignoriert hatte, um endlich zu sterben und vor Charlottes Hochnäsigkeit seine Ruhe zu haben.
Nachdem er den Wagen geparkt hatte, betrat Daniel sein Elternhaus durch den Hintereingang. Schon immer war er am liebsten durch die Küche ins Haus gegangen. Wenigstens wurde er hier herzlich von der Haushälterin und Köchin Rosemary begrüßt. Seit er denken konnte, arbeitete Rosemary für seine Eltern.
Er selbst hatte in den schwierigen Jahren dafür gesorgt, dass diese Frau ihre Anstellung behielt – zu einem Zeitpunkt, als noch unklar war, ob es ihm gelingen würde, Addison Industry aus den roten Zahlen zu holen. Denn Rosemary war für ihn ein Teil der Familie.
„Wie geht’s meinem geliebten alten Mädchen?“, fragte Daniel und ging lächelnd auf die grauhaarige Dame zu, die am Herd stand und in einem Kochtopf rührte.
„Jetzt, wo du da bist, sehr gut, Daniel Addison“, sagte sie, ohne die Aufmerksamkeit vom Herd abzuwenden. „Fast drei Wochen warst du nicht mehr hier, um mich zu besuchen. Weißt du eigentlich, wie schwer es für eine
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