Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis
Auto parkte. War diese Frau etwa die halbe Meile von ihrem Haus hierher zu Fuß gegangen?
„Gestern Abend habe ich hier Licht gesehen, als ich vom Planungskomitee des diesjährigen Wohltätigkeitsballs kam. Allerdings habe ich angenommen, jemand habe das Haus gemietet …“ Sie schüttelte den Kopf. „Einerlei. Was gedenkt denn ihre Mutter, nun mit dem Anwesen zu tun?“
Am liebsten hätte Lily dieser Frau gesagt, dass es sie nichts angehe. Doch der jahrelange Benimmunterricht ihrer Mutter – sei älteren Menschen gegenüber stets respektvoll und höflich – hinderte sie daran.
„Dies ist nicht das Anwesen meiner Mutter, Mrs Addison“, sagte Lily und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie irritiert sie war. „Es gehört mir. Mein Vater hat es mir vererbt.“
Zu Lilys großer Überraschung begann Charlotte Addison zu lächeln. „Dann werden wir uns sicherlich schnell einigen.“
Lily hatte keine Ahnung, worüber die Frau redete. „Entschuldigung?“
„Dies ist das Heim meiner Vorfahren, und ich hätte es gerne wieder“, sagte die Frau, als ob Lilys Vater es ihr gestohlen hätte.
„Es ist nicht zu verkaufen, Mrs Addison“, erwiderte sie kurz und bündig. Schon möglich, dass diese Frau sie eingeschüchtert und einen Keil zwischen sie und Daniel getrieben hatte. Doch ein zweites Mal würde Lily das nicht mehr zulassen. „Ich habe dieses Haus mein Leben lang geliebt, und es war der Wunsch meines Vaters, es mir zu vererben“
Charlottes Miene verdunkelte sich. „Wieso bedeutet Ihnen ein Anwesen, zu dem sie keinerlei Beziehung haben, denn so viel?“
„Aber das habe ich doch.“ Lily zeigte auf die andere Straßenseite auf White Point Gardens. „Als kleines Mädchen bin ich hier regelmäßig mit meinem Vater spazieren gegangen. Stundenlang haben wir uns dieses Haus angesehen und uns vorgestellt, wie es wäre, darin zu leben.“
„Eine alberne Kindheitsfantasie“, stieß Charlotte abfällig hervor. Dann wurde sie plötzlich blass.
„Ist alles in Ordnung, Mrs Addison?“, fragte Lily besorgt.
„Ich … ich denke, ich sollte mich einen Moment lang hinsetzen“, erwiderte Charlotte mit schwacher Stimme. Dabei starrte sie Lily unentwegt an.
„Bitte, kommen Sie doch herein. Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen“, sagte Lily und nahm die Frau beim Arm, um ihr zu helfen.
Unabhängig davon, wie Charlotte Addison in der Vergangenheit mit ihr umgegangen war – immerhin war sie Daniels Mutter und die Großmutter von Lilys Baby.
Lily führte Charlotte zur Couch im Besuchszimmer und wartete, bis die Frau sich gesetzt hatte. Dann verließ sie das Zimmer, um ihr ein Glas Wasser zu holen. Als sie zurückkam, wirkte Mrs Addison schon wieder viel munterer.
„Möchten Sie vielleicht die Beine hochlegen, Mrs Addison?“, fragte Lily und reichte ihr das Glas. „Soll ich Daniel anrufen?“
„Nein“, entfuhr es Charlotte. Eine Spur Panik war aus ihrer Stimme herauszuhören. Vermutlich wäre es ihr gar nicht recht, wenn ihr Sohn von ihrem Besuch erfuhr. „Ich war wohl etwas unterzuckert“, sagte sie betont sorglos und nippte an ihrem Wasser. „Aber es geht schon wieder.“
Lily wusste, dass es in dieser Situation gut war, etwas zu essen. „Ich war gerade dabei, mir ein Sandwich zu machen. Wieso begleiten Sie mich nicht einfach in die Küche, dann werde ich Ihnen ebenfalls eins zubereiten.“
Zum ersten Mal, seit sie Mrs Addison getroffen hatte, wirkte die Frau unschlüssig. „Ich … möchte nicht stören.“
„Unsinn“, sagte Lily und half ihr auf. „Das macht überhaupt keine Umstände.“ Wie um alles in der Welt schaffe ich es eigentlich, mich immer wieder in eine derartige Situation zu bringen? fragte sich Lily, während sie Charlotte durch Halle und Flur führte. Doch sie konnte diese Frau wohl schlecht hinauswerfen, wenn es ihr nicht gut ging.
Während Lily die Sandwiches zubereitete, bemerkte sie, dass Mrs Addison ihren Blick über die Renovierungsarbeiten wandern ließ. „Mögen Sie die Arbeiten, die mein Vater in Auftrag gegeben hat?“, fragte sie schließlich und stellte einen Teller vor Charlotte ab.
„Ja, es ist … erstaunlich hübsch“, sagte die Frau widerwillig.
„Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen nach dem Essen das ganze Haus“, schlug Lily ihr vor und fragte sich sofort, warum sie das eigentlich tat.
Aber aus irgendeinem Grund hatte sie das Bedürfnis, der Frau zu beweisen, dass das Haus zu neuer, alter Schönheit erblüht war. Immerhin hatte
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