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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Roemer
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hinter der nach außen getragenen Haltung »Bei uns ist alles in Ordnung«.
    Die Fassade nach außen zu wahren, ist für viele Paare sehr wichtig. Dabei wäre es doch für alle tröstlich und entlastend, wenn man über Schwierigkeiten in der Ehe auch mit anderen Menschen reden könnte, ohne sich dafür schämen zu müssen. Schließlich sind Konflikte und Probleme normal und gehören zum Leben dazu. Leider leiden heute Menschen sehr schnell unter dem Gefühl, unzulänglich zu sein, wenn in ihrem Leben oder der Partnerschaft nicht alles so läuft, wie sie sich das vorstellen. Für viele Paare in Beratung ist es sehr erleichternd, sich in den Sitzungen nicht (mehr) verstellen zu müssen und nicht als »kranke« oder unfähige Menschen behandelt, sondern als ganz normale Paare mit ganz normalen Problemen angesehen zu werden. Schon allein dadurch fällt häufig eine gewisse Grundspannung von dem Paar ab.
    Nicht zuletzt wegen dieser oft noch sehr lange nach außen aufrechterhaltenen Pseudo-Idylle kommen viele Trennungen von Paaren für Freunde und Bekannte dann so überraschend. Wenn aber auch nachinnen lange so getan wird, als sei alles in Ordnung, und die wichtigen Themen nicht angesprochen werden, führt das oft auch dazu, dass die Paare selber nicht genau wissen, was jetzt schiefgelaufen ist, an welcher Stelle sie vielleicht noch hätten einhaken und das Blatt hätten wenden können.
    Zu einer Beratung kommen Paare meistens erst dann, wenn es ordentlich kracht oder die Krise sich schon massiv zugespitzt hat. Leider. Denn dann wird aus einer Paarberatung oft eine Trennungsberatung. Das müsste nicht sein, wenn Paare sich klarer darüber würden, dass sie ihre Partnerschaft zu pflegen haben. Und das heißt nicht, immer über jede Kleinigkeit diskutieren zu müssen. Manchmal ist es tatsächlich auch sehr hilfreich, über kleinere Macken des anderen großzügig hinwegzusehen. Wenn jedoch bestimmte Themen immer wieder hochkochen oder die Wut auf den anderen zunimmt, sollte man sich hinsetzen und nach den tiefer liegenden Ursachen forschen. Dass der Partner die Zahnpastatube nicht zuschraubt, seine Schuhe im Weg herumstehen lässt oder die Partnerin immer die Fernbedienung »versteckt«, sind ja schließlich keine Neuigkeiten. Warum regt es uns also jetzt plötzlich auf? Was ist passiert, dass sich mein Blick auf den geliebten Menschen so verändert hat? Was ist möglicherweise ungeklärt? Und was sind unsere tieferen Themen? Diese Fragen sollten spätestens jetzt angesehen werden, wenn man sich überlegt, miteinander alt werden zu wollen.
    Andere Paare in der Lebensmitte fahren da eine etwas differenziertere Strategie als die harmoniebedächtigen »Nichthingucker«: Sie streiten sich zwar fortlaufend über diverse Kleinigkeiten, sind latent genervt voneinander und insofern permanent miteinander beschäftigt, dringen dabei aber nie zu den wirklich brisanten Themen durch. Die Konflikthaftigkeit macht dann zwar einerseits auf vorhandene Probleme aufmerksam, lenkt aber gleichermaßen von ihnen ab. Sind wir möglicherweise auf irgendeine Weise miteinander verstrickt? Und wie könnten wir diese Verstrickungen lockern oder lösen, um wieder einen guten Draht zueinander zu finden?
    In vielen langjährigen Partnerschaften versucht immerhin ein Partner, Veränderungen innerhalb der Beziehung zu erwirken, und stößt dabei auf den offenen oder versteckten Widerstand des anderen. Sie ahnen es schon: Es sind sehr häufig die Frauen, die sich nun aus der Rolle der »ewig anwesenden« Mutter und Ehefrau emanzipieren und ihr Leben neu gestalten wollen. Die es nochmal wissen wollen. Wenn der männliche Partner hier nicht mitzieht, kann dieses Unterfangen für die Frauextrem anstrengend, unbefriedigend und enervierend werden. Wenn Männer dann nicht irgendwann doch ihren bewussten oder unbewussten Widerstand aufgeben, laufen sie schlichtweg Gefahr, von ihren entwicklungsbereiten Partnerinnen verlassen zu werden. Wenn sie ihren Hintern eben nicht hochkriegen, werden sie dann im wahrsten Sinne des Wortes sitzen gelassen.
    In der Krise in der Lebensmitte steigt erfahrungsgemäß auch die Gefahr, dass einer von beiden aus der Zweierbeziehung ausbricht, sich eine/n Geliebte/n sucht oder auf andere Weise das gewohnte System massiv durcheinanderbringt. Oft passiert das dann für den anderen Partner völlig überraschend: Das ist manchmal ein deutliches Zeichen dafür, dass im Vorfeld bestimmte Themen ausgeblendet wurden und Bedürfnisse und

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