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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille
Autoren: Felicitas Roemer
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Probleme nicht rechtzeitig miteinander besprochen wurden. Eine außereheliche Liebesaffäre kann allerdings verschiedene Funktionen haben, wie wir in Kapitel 4 noch sehen werden.
    Besonders bei bewussten und aufmerksamen Paaren kommt in dieser Lebensphase also vermehrte Unruhe in das gemeinsame Leben. Plötzlich werden Bilanzen gezogen, Vergangenes wird mal kritisch, mal vergnügt betrachtet. Sind beide Partner in gutem Kontakt miteinander, sind sie in der Lage, die Komplexität der Situation zu erfassen und auch auszuhalten: Dann dominieren manchmal Stolz und Freude die Stimmung, manchmal Trauer und Tränen, manchmal gibt es freilich auch Vorwürfe und Streitereien.
    Und es steht womöglich ein großes Fragezeichen im Raum: Was verbindet uns und was trennt uns voneinander? Wollen wir weiterhin zusammenbleiben? Und wenn ja: Wie wollen wir das gestalten? Was ist uns jetzt wichtig? Haben wir noch gemeinsame Wünsche und Träume? Und wer braucht jetzt was?
Was heißt schon »Liebe«? Über Lebendigkeit. Und warum es ein Märchen ist, dass langjährige Partner sich nichts mehr zu sagen hätten
    Am Anfang unserer Liebe haben wir den anderen idealisiert. Unser Blick war verklärt, und wir sahen in erster Linie die positiven Seiten. Mit der Zeit dann lernte man den anderen besser kennen. Und dann auch dessen Macken, Ecken und Kanten. Diese liebevoll in unser Bild von unserem Partner/unserer Partnerin einzufügen, war vielleicht nicht immer soleicht. Und doch war es wichtig, um unsere Verliebtheit in die gelebte Liebe zu überführen, die dann die tragfähige Basis unserer Ehe oder Partnerschaft wurde.
    Und natürlich: Was am Anfang, in der ersten Phase der Verliebtheit, vielleicht wie von selbst lief, läuft nach ein paar Jahren nicht mehr in der gleichen Selbstverständlichkeit ab. Anfangs nahm man sich viel Zeit füreinander, redete ständig, war neugierig aufeinander, zärtlich und aufmerksam. Mit den Jahren wird aber auch das interessanteste Detail des anderen ein wenig uninteressanter; ein gewisses Maß an Gewöhnung tritt ein. Das ist normal, muss aber nicht zwangsläufig zu Langeweile in der Partnerschaft führen.
    Paartherapeuten sind sich nahezu einig darüber, dass eine Partnerschaft nicht deshalb öde und trostlos wird, weil die Partner sich einfach nur aneinander gewöhnt haben. Sondern weil sie sich gegenseitig nichts mehr abverlangen, sie sich in ihrem persönlichen Wachstum nicht mehr fördern. So schreibt der Psychotherapeut Jürg Willi in seinem Klassiker Ko-Evolution: »Ich glaube nicht, dass eine Lebensgemeinschaft langweilig wird, weil zwei Partner sich zu sehr aneinander gewöhnt haben und einander nichts mehr zu sagen haben. In den allermeisten Fällen haben sie sich nichts mehr zu sagen, weil sie sich nichts mehr sagen dürfen. Kritik, auf die mit persönlicher Gekränktheit und Gegenverletzung überschießend reagiert wird, unterbleibt. Damit wird aber dem gemeinsamen Prozess die Kraft entzogen. Eine Beziehung wird langweilig, weil beide Partner voreinander resignieren und einander nichts mehr abfordern.« 9
    Interessanterweise sind es ja oft genau die Eigenschaften, die wir am anderen in der ersten Zeit so geliebt haben, die uns nach ein paar Jahren zu schaffen machen. Fanden wir anfangs die Spontaneität des Partners so anziehend und belebend, wird diese nach einer Weile des Zusammenlebens vielleicht als Unruhe und Wankelmütigkeit erlebt und geht uns unglaublich auf die Nerven. Schätzte jemand an der Geliebten in der ersten Zeit besonders deren Fähigkeit zur nüchternen Planung, so fühlt sich der Partner nach einiger Zeit davon vielleicht eingeengt oder bevormundet. Diese Reaktionen haben viel mit unseren eigenen abgespaltenen oder unterentwickelten Eigenschaften zu tun (siehe Kapitel 5).
    Hinzu kommt, dass bei manchen langjährigen Paaren auch im Bett Flaute angesagt ist – oder höchstens noch ein laues Lüftchen weht. Ist das wirklich eine tragfähige Basis für ein weiteres Leben zu zweit? Oder wird Sex nicht sowieso einfach völlig überbewertet, wie es neueste Studien behaupten?
    Viele langjährige Paare finden sich auch recht fraglos damit ab, dass die gegenseitige sexuelle Anziehungskraft nachlässt und sich eine gewisse erotische Ernüchterung breitmacht. So wie der grantige Arnold in der wunderbaren Komödie Wie beim ersten Mal , der – gespielt von Tommy Lee Jones – angesichts einer von seiner Ehefrau eingeforderten sexuellen Beziehung immer wieder resigniert betont: »Wir sind
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