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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille
Autoren: Felicitas Roemer
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nicht mehr 22!« Ehefrau Kay weiß das natürlich – und lässt trotzdem nicht locker. Sie will wieder eine »richtige Ehe«, sehnt sich nach Zärtlichkeit und Intimität. Ihrer Hartnäckigkeit ist es dann zu verdanken, dass die beiden doch zusammen auf der berühmten Couch landen und zum Vergnügen des Publikums die ein oder andere amüsante Paar-Übung zur Belebung ihres Intimlebens machen. Wenn die Art der Therapie doch sehr verkürzt und oberflächlich dargestellt ist, so ist der Film doch ein heiteres und sehenswertes Kinoerlebnis für alle, die sich mit dem Thema »Liebe im Alter« mal auf fröhliche Weise beschäftigen wollen.
    Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Man muss nicht auf Biegen und Brechen versuchen, sozusagen künstlich den Zustand der Verliebtheit aufrechtzuerhalten. Das wäre ja furchtbar. Wir hätten keinen klaren Kopf mehr für unseren Job und würden unsere Kinder und Freunde vernachlässigen. Wir wären in einem an Verwirrung grenzenden Ausnahmezustand gefangen. Wer will das schon?
    Im Übrigen würden wir unserem Partner ja auch nicht gerecht, wenn wir ihn immerzu idealisieren würden, wie man das im ersten Liebesrausch so macht. Insofern ist es doch allemal beruhigend, dass die akute Verliebtheit, die unseren Körper sozusagen in dauerhaften Alarmzustand versetzt, auch irgendwann mal wieder nachlässt und wir wieder wir selbst werden. Und dann hoffentlich den Menschen, in den wir uns so Hals über Kopf verliebt haben, auch wirklich kennenlernen. Also: Kein Paar muss dauerverliebt sein, um ein glückliches Paar zu sein. Auch Nähe lässt sich nicht immer herstellen, und der Grad der gegenseitigen Anziehung und Zuwendung schwankt natürlicherweise.
    Ich bin auch nicht der gleichen Ansicht wie die »Mutter Theresa der lebensabschnittspartnerschaftlichen Beziehungsarbeit« Evje van Dampen – eine wunderbare parodistische Kunstfigur Hape Kerkelings –, die dem belustigten Publikum immer wieder die Maxime um die Ohren schleudert: »Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit!« 10 Liebe ist natürlich nicht immer nur Arbeit. Aber manchmal eben schon. Denn wer auf Dauer nicht bereit ist, ein Minimum an Zeit und Energie in eine Partnerschaft zu stecken, wird bald merken, dass gegenseitige Achtung und die Neugier aufeinander verpuffen. Schon in seinem 1956 verfassten Klassiker Die Kunst der Liebe wies der Psychoanalytiker Erich Fromm darauf hin, dass man das Lieben erlernen muss, und zwar so, »wie wir das tun würden, wenn wir irgendeine andere Kunst, zum Beispiel Musik, Malerei das Tischlerhandwerk oder die Kunst der Medizin oder der Technik lernen wollten.« 11
    Was meint er damit? Er meint damit, dass Liebe kein Gefühl ist, auf dem man sich gemütlich ausruhen kann. Liebe ist genau genommen überhaupt kein Gefühl, sondern eine aktive Haltung, die ich jemandem entgegenbringe: »Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich selbst entwickelt, nicht etwas, dem man verfällt.« 12 Liebe ist also in erster Linie eher ein »Geben« denn ein »Nehmen« oder »Empfangen«. Und was gibt der Liebende? Er gibt laut Fromm »etwas von sich selbst, vom Kostbarsten, was er besitzt, er gibt etwas von seinem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er sein Leben für den anderen opfert – sondern dass er ihm etwas von dem gibt, was in ihm lebendig ist; er gibt ihm von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Verständnis, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit – von allem, was in ihm lebendig ist. Indem er dem anderen auf diese Weise etwas von seinem Leben abgibt, bereichert er ihn, steigert er beim anderen das Gefühl des Lebendigseins und verstärkt damit dieses Gefühl des Lebendigseins auch in sich selbst.« 13 Wenn aber diese Bereitschaft schwindet, dem anderen etwas von seiner eigenen Lebendigkeit abzugeben, wer auch nicht willens und in der Lage ist, sich selbst und seine Verhaltensweisen gelegentlich zu hinterfragen und an sich zu arbeiten, der erstickt die Lebendigkeit der Liebe und damit die Liebe selbst.
    Ein hilfreiches Kriterium für eine gelungene Partnerschaft ist also nicht etwa die Abwesenheit von Streit oder Konflikten, sondern der Grad der Lebendigkeit, der in ihr herrscht. Und Lebendigkeit kann nur entstehen und erhalten bleiben, wenn jeder bereit ist, etwas von sich und seinem Inneren zu zeigen.
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