Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille
Autoren: Felicitas Roemer
Vom Netzwerk:
Leben öde und vorhersehbar machen. Vielmehr sind sie durchaus ein wichtiger Teil der Paar-Identität, deren Einführung zumindest anfangs meistens aus irgendeinem Grund sinnvoll war. Gewohnheiten geben in gewisser Weise Sicherheit und sorgen dafür, dass wir nicht jeden Tag morgens aufs Neue über alles diskutieren müssen. Sie entlasten und stabilisieren. Und in der Regel tut dann nahezu jeder Partner das, was ihm aufgrund seiner Erziehung oder auch Interessen und Begabung vielleicht relativ leichtfällt.
    So wie Sabine (48) berichtet:
    »Ich habe Spaß daran, das Haus schön herzurichten, ich backe gerne und kümmere mich viel um die häusliche Gemütlichkeit. Mein Mann hingegen schraubt und bastelt gerne herum und ist folglich eher für das Handwerkliche zuständig. Außerdem kann er mir gut mit dem PC helfen. Ganz klassisch eben. Diese Rollenverteilung ist natürlich sehr konventionell, aber wir haben keine Probleme damit,weil wir uns damit wohlfühlen und uns ja auch gegenseitig damit etwas geben: Ich muss mich nicht mit kaputten Lampen oder Autos oder PC-Programmen herumschlagen, und er genießt es, ein schönes Heim vorzufinden.«
    Manchmal allerdings leidet ein Partner unter gewissen Routinen und wünscht sich hier Veränderung, wird aber vom anderen dabei abgeblockt oder aus Bequemlichkeitsgründen nicht dabei unterstützt. Manchmal besteht auch nur ein diffuses Gefühl, etwas ändern zu wollen, ohne genau zu wissen, was. Denn Gewohnheiten zeichnen sich im Alltagsleben dadurch aus, dass sie oft unbewusst abgespult werden. Deshalb ist es wichtig, ab und zu mal einen Blick auf die lieben Paar- und Familiengewohnheiten zu werfen:
Welche Routinen prägen Ihren Paar-Alltag? Zählen Sie mindesten fünf Gewohnheiten auf.
Welche dieser Gewohnheiten gefallen Ihnen? Was genau gefällt Ihnen daran?
Auf welche dieser Gewohnheiten würden Sie gerne verzichten, weil sie überholt sind und nicht mehr in Ihr derzeitiges Leben passen?
Wie könnten Sie diese Gewohnheiten durchbrechen?
    Ein Beispiel:
    Erika (50) leidet seit einigen Wochen unter einem akuten Erschöpfungszustand. Sie hat seit einiger Zeit diverse Wechseljahresbeschwerden, fühlt sich abgeschlagen und mit Familie, Haushalt und Vollzeitjob komplett überlastet. Sie ist zudem diffus wütend auf ihre Familie, fühlt sich irgendwie im Stich gelassen und manchmal sogar ausgenutzt. Sie hat das Gefühl, dass sie immer viel für ihre Familie tut, diese aber ihre ganze Leistung überhaupt nicht wertschätzt.
    Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass sie seit vielen Jahren diese Dreifachbelastung klaglos auf sich genommen hatte, ohne jemals ihrem Ehemann oder den Kindern entsprechende Unterstützung abzufordern. Sie fängt an, darüber nachzudenken, warum sie bis jetzt immer bereit war, so viel Arbeit auf sich zu nehmen, und merkte, dass das viel mit ihrer Rolle in ihrer Herkunftsfamilie zu tun hatte und ihrem sehr alten Bedürfnis, besonders bedeutsam für andere sein zu wollen. Indem sie sich für die anderen »aufopferte«,bekam sie eine besondere Wichtigkeit, und das gab ihr viel Bestätigung. Sie erkannte, dass sie sich sehr bemühte, immer alles perfekt zu machen und niemandem »zur Last zu fallen«. Schon in ihrer Kindheit musste sie stets ihre psychisch labile Mutter entlasten, indem sie möglichst unauffällig funktionierte und schon früh viel Verantwortung übernahm.
    Nun war sie erstens sehr erschöpft, zweitens aber auch an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie auf diese Bestätigung durch Selbstaufopferung gar nicht mehr angewiesen war. Sie hatte sich selbst, ihrer Familie und ihrem Chef schon lange bewiesen, wie kompetent und verantwortungsbewusst sie war. Sie war nicht länger bereit, sich selbst auszubeuten, und beschloss deshalb, aus dem Teufelskreis der Selbstüberforderung und Unzufriedenheit auszusteigen: Sie überlegte, wie sie sich konkret im Alltag entlasten konnte. Ihr fiel z. B. auf, dass sie seit vielen Jahren mit großer Selbstverständlichkeit den Frühstückstisch für sich, ihren Mann und die drei halbwüchsigen Kinder deckte und ihr das langsam auf die Nerven ging. Alle hatten sich daran gewöhnt, keiner bedankte sich dafür oder freute sich morgens darüber. Sie verkündete dann bei einer Familienversammlung freundlich, aber bestimmt, dass sie nicht mehr bereit sei, jeden Morgen alleine den Tisch zu decken. Zu ihrer Überraschung zeigten sich Ehemann und Kinder einsichtig und erklärten sich bereit, die morgendliche Arbeit mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher