Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag
schließlich hat er noch anderes zu tun. Dabei hätte er noch Pythagoras’ berühmten Satz anwenden und die Länge der Diagonalen eines Quadrats von zwei auf zwei Einheiten berechnen können. Die beträgt etwa 2,8 Einheiten.
Aus dieser Episode schließt Sokrates: Da er dem Jungen die Antworten ja nicht verraten habe, musste das Wissen schon vorher in dessen »Seele« vorhanden gewesen sein. Da es dem Jungen nie vermittelt worden sei, müsse die Seele es von woandersher bezogen haben, noch vor seiner Geburt. Daraus leitete Sokrates ab, dass die Seele unsterblich sein und alles Wissen enthalten müsse. Das Problem bestehe darin, dass das Wissen im Lauf der Zeit verblasse und regelmäßig wieder erweckt werden müsse, so wie Sokrates das verblasste Geometriewissen des Jungen wieder aufgefrischt habe. Leider taugen nicht all unsere Fehler in der Mathematik als Fundament wichtiger philosophischer Theorien.
31.
Bei einem nächtlichen Überfall raubt eine Horde Wilder Ihre wunderschöne Braut. Als Sie endlich erwachen – Sie haben einen sensationell tiefen Schlaf –, sind die Wilden schon 40 Kilometer weit weg. Sie nehmen sofort die Verfolgung auf, doch nach 23 Kilometern geben Sie auf, weil Sie glauben, Sie würden sie nicht einholen können. Dabei war der Vorsprung der Wilden zu jenem Zeitpunkt schon auf zweiunddreißig Kilometer geschrumpft. Wie viele Kilometer hätten Sie die Verfolgung noch fortsetzen müssen, um sie einzuholen?
4 Das Kreuz mit den Proportionen, Teil zwei
Zahlreiche klassische Mathematikaufgaben drehen sich um proportionale Verhältnisse. Bei einem vielfach abgewandelten Klassiker etwa wird gefragt, wie schnell sich ein Becken bei bestimmten Zuflussmengen füllt. Zum ersten Mal formulierten antike chinesische Mathematikabhandlungen Aufgaben dieser Art, später tauchen sie in den Arbeiten von Mathematikern der verschiedensten Kulturen auf. Es folgt das älteste bekannte Beispiel, aus dem Werk Neun Bücher arithmetischer Technik , dem einflussreichsten antiken chinesischen Mathematiktext, der aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammt:
»Jetzt hat man einen Teich. Fünf Kanäle führen ihm Wasser zu. Öffnet man von ihnen einen Kanal, bekommt man in einem Drittel des Tages eine Füllung, beim nächsten in einem ganzen Tag eine Füllung, beim nächsten in zweieinhalb Tagen eine Füllung, beim nächsten in drei Tagen eine Füllung und beim nächsten in fünf Tagen eine Füllung. Jetzt öffnet man sie alle gleichzeitig. In wie vielen Tagen füllen sie den Teich?«
Diese Aufgabe lässt sich auf verschiedenerlei Art lösen, aber hier will ich eine Methode verwenden, die das Denken in proportionalen Verhältnissen auf die bereits vorgestellte Art erleichtert. Wie gehabt, machen wir erst einmal eine Tabelle mit den Angaben:
Der Trick besteht darin, ein gemeinsames Vielfaches der verschiedenen Zeiten zu finden, die es braucht, um das Becken zu füllen, und dann zu errechnen, wie oft jeder Kanal das Becken in dieser Zeit füllen würde. In unserem Fall ist 15 ein gemeinsames Vielfaches von ⅓, 1, 2½, 3 und 5. Nun stellen wir uns die Frage: Wie oft würde jeder Kanal in dieser Zeit das Becken füllen?
Die Zahlen für die 15 Tage lassen sich ganz einfach über proportionale Verhältnisse errechnen: Zum Beispiel füllt der erste Kanal das Becken in einem Drittel des Tages, also füllt er es drei Mal am Tag oder fünfundvierzig Mal in 15 Tagen. Der dritte Kanal füllt das Becken in zweieinhalb Tagen, also sechs Mal in 15 Tagen. Die anderen Ergebnisse wurden analog errechnet.
Wenn aus allen Kanälen gleichzeitig Wasser kommt, füllt sich das Becken in fünfzehn Tagen 45 + 15 + 6 + 5 + 3 = 74-mal. Sobald man das weiß, kommt man mit Denken in Proportionen rasch zur Lösung:
15 Tage
74 Becken
15: 74
1 Becken
Alle Kanäle zusammen brauchen 15/74 eines Tages (was etwa 292 Minuten entspricht), um das Becken einmal zu füllen. Doch die Beschäftigung mit Aufgaben dieser Art ist nicht nur ein skurriler Zeitvertreib, man kann sich mit ihnen den Respekt und die Bewunderung wichtiger Leute erwerben. Archimedes war ein Mathematiker im antiken Griechenland. Er war ein brillanter Tüftler, und hauptsächlich konzentrierte er sich auf die Konstruktion von Kriegsmaschinen zur Verteidigung seiner Heimatstadt Syrakus gegen die Römer. Er ersann riesige Katapulte, mit denen sich Steine auf ihre Schiffe schleudern ließen, enorm große Klauen, mit denen die Schiffe gepackt und umgeworfen werden konnten, und mächtige
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