Liebe Mathematik, löse deine Probleme bitte selber - verblüffend einfache Lösungen für Mathematik im Alltag
angebliches Hörgerät Bescheid gibt. Aber Kartenzählen ist nicht verboten. Bei der einfachsten Variante zählt der Spieler schlicht mit, wie viele hohe Karten (Zehner, Buben, Damen, Könige und Asse) schon ausgegeben wurden. Der Grund dafür: Wenn im übrigen Stapel relativ viele hohe Karten übrig bleiben, verschieben sich die Chancen leicht zugunsten des Spielers (und zuungunsten der Bank). Das liegt daran, dass die Bank den Regeln des Spiels zufolge weitere Karten nehmen muss, bis sie mindestens siebzehn Augen hat. Der Spieler hingegen muss das nicht. Wenn viele hohe Karten im Reststapel verblieben sind, läuft die Bank ein relativ hohes Risiko, über die 21 hinauszuschießen (»bust«) und damit zu verlieren. Der Spieler hingegen kann vorsichtiger »einkaufen«. Sobald eine solche Situation eintritt, wird es Zeit, große Summen einzusetzen.
Meiner Ansicht nach ist das eine intelligente Strategie, kein Schummeln. Aber die Casinos sehen das Kartenzählen verständlicherweise kritischer und ergreifen Gegenmaßnahmen: Sie erhöhten die Anzahl der jeweils verwendeten Kartenpakete, von früher einem auf heute zumeist sechs Pakete – und werfen außerdem jeden raus, den sie beim Kartenzählen erwischen. Mir kommt das ziemlich unfair vor, da das Mitverfolgen der Karten mehrerer Pakete ohnehin schon knifflig genug ist und mit ein Paar Martinis (geschüttelt, nicht gerührt) intus nahezu unmöglich wird. Außerdem versucht die große Mehrheit der Casinobesucher solche Techniken nicht einmal.
Auch Cardano geriet mit den Glücksspielveranstaltern seiner Zeit über Kreuz. Das mag an seinen Versuchen gelegen haben, sie durch angewandte Mathematik auszunehmen. Unter dem Strich verlor er aber mit seinem ewigen Karten- und Schachspielen stetig Geld, was ihn derart aufregte, dass er einmal einem Gegenüber das Gesicht aufschlitzte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Verhalten dieser Art in den Faltblättern
»So erkennen Sie Spielsucht« erwähnt wird, wie sie Casinos an ihre Kunden verteilen. Andere Anzeichen sind »der Glaube, unbesiegbar zu sein« und »völliger Verlust des Zeitgefühls«.
4 Es geht nicht nur um Zahlen
Die Wahrscheinlichkeitstheorie entstand nicht ohne Grund. So entspricht es schlicht dem gesunden Menschenverstand, zu akzeptieren, dass es um uns nur so von Ungewissheiten wimmelt. Ständig müssen wir Wahrscheinlichkeiten abwägen, um Entscheidungen treffen oder Probleme lösen zu können – nur dass wir dabei nicht in Rechtecken denken.
Die beiden Männer, die wir heute als »Väter« der mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie ehren, hatten eigentlich nur grundvernünftig über Probleme nachgedacht, die man ihnen gestellt hatte. Im Paris der 1650er-Jahre unterhielt der Herzog von Roanne einen Salon, in dem die führenden Intellektuellen seiner Zeit wichtige Themen besprachen und sich ihre Perücken trocken föhnen ließen. Hier traf der auf großem Fuß lebende Edelmann Antoine Gombaud (1607–1684), Chevalier de Méré, auf einen jungen Mathematiker namens Blaise Pascal.
Der 1623 in Clermont-Ferrand geborene Pascal interessierte sich schon als Kind derart für die Mathematik, dass sein Vater das Fach vom Stundenplan nahm, weil er fürchtete, der kleine Blaise könnte sich überanstrengen. Fortan widmete sich Blaise in der Freizeit seinem neuen Hobby und entdeckte eigenständig viele Eigenschaften von geometrischen Körpern – insbesondere die Tatsache, dass die Winkel in einem Dreieck sich zu 180 Grad addieren. Im Alter von 14 Jahren gehörte er bereits zur intellektuellen Elite Frankreichs und schrieb fröhlich Abhandlungen zu den kniffligsten Fragen seiner Zeit.
Der Chevalier war ein eifriger Spieler und stellte Pascal etliche Fragen zu seinem Lieblingsthema, dem Würfeln. Pascal wiederum diskutierte diese Fragen in einem Brief an einen
weiteren führenden Mathematiker jener Zeit, Pierre de Fermat (1601–1665). Am meisten interessierte die zwei Männer, wie man die Einsätze aufteilen sollte, wenn zwei Spieler gleicher Stärke ein Glücksspiel vorzeitig abbrechen mussten. Pascal hielt es für möglich, den Einsatz so aufzuteilen, dass der aktuelle Stand des Spiels wiedergegeben wurde. Darüber korrespondierte er auch mit Fermat. Beide erdachten unterschiedliche Lösungswege, auf denen sie aber zum gleichen Ergebnis kamen.
Fermat ging bei seinen Überlegungen von einem Spiel mit zwei Teilnehmern aus, das gewann, wer als Erster drei Punkte gesammelt hatte. Der Einsatz pro Person lag bei 32
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