Liebe mit beschrankter Haftung
gedankenverloren mit den großen Kugeln ihrer bunten Holzkette spielt.
»Wollen Sie einen Beratungstermin ausmachen?«, kommt mir die Rezeptionistin, auf deren Brust ich jetzt das kleine, silberne Namensschildchen entdecke, unerwartet zu Hilfe.
»Ja, Frau Baumüller«, sage ich erleichtert, »das wäre nett.«
»Hier ist erst mal unsere Visitenkarte.« Sie schiebt das Stück Hochglanzpapier über den Tresen zu mir hin. »Da steht auch unsere Telefonnummer drauf. Dann können Sie beim nächsten Mal anrufen.« Ich nicke. »Sie müssen nicht jedes Mal vorbeikommen«, fügt sie noch hinzu. Wie kann man nur so penetrant sein? Ich habe es doch schon beim ersten Mal kapiert: Spontane Besuche sind in diesem Institut ebenso unerwünscht wie in Daniels Chaos-Wohnung. »Wann würde es Ihnen und Ihrem Mann denn zeitlich am besten passen?«, beendet sie endlich ihre Sticheleien und wendet sich dem hochmodernen Computermonitor mit der blassgrünen Plexiglas-Verkleidung zu.
»Ich bin nicht verheiratet«, stelle ich klar und sehe sie ein wenig verständnislos an. Wäre ich sonst hier?
»Oh, ich verstehe.« Sie lächelt und entblößt eine Reihe klitzekleiner, perlweißer Zähne. »Nun gut, das ist Ihre Entscheidung. Ich sollte Sie allerdings darauf aufmerksam machen, dass unverheiratete Paare vor der Behandlung einen Notarvertrag aufsetzen müssen, um die rechtliche Situation zu klären.«
»Hä?« Sie greift in das Gestell aus Plexiglas, in dem sich diverse Flyer befinden und hält mir einen davon unter die Nase.
»Hier steht alles drin. Aber wenn Sie mich fragen, zu heiraten wäre sicher die simplere Lösung.«
»Hmm«, mache ich unbestimmt, weil mich das ganze Gequatsche über Männer und die Ehe ganz wirr im Kopf macht. Ich bin doch schließlich hier, weil ich von alldem Abstand nehmen will.
»Bringen Sie am besten schon zum Termin einen Nachweis über die Zeugungsunfähigkeit Ihres Mannes mit, das spart Zeit.« Jetzt fängt sie schon wieder damit an.
»Hören Sie«, sage ich, »ich habe keinen Mann. Dementsprechend wird das mit dem Nachweis seiner Zeugungsunfähigkeit etwas problematisch.« Kati gluckst, hält sich dann erschrocken die Hand vor den Mund und simuliert einen Hustenanfall.
»Sie haben keinen Mann?« Frau Baumüller mustert mich überrascht.
»Was glauben Sie, warum ich sonst Sperma brauche?«
»Eine Behandlung alleinstehender Frauen ist aus rechtlichen Gründen leider nicht möglich.« Aus hellbraunen Augen blickt sie mich mitleidig an.
»Aber ich …« Hilflos sehe ich zu Kati, die ein ganz betroffenes Gesicht macht.
»Oh, ich verstehe. Tut mir leid. Wir würden gerne allen, die es sich wünschen, zu einem Kind verhelfen.« Jetzt klingt sie, als würde sie aus einem Leitfaden zitieren. »Aber die derzeitige Rechtslage in Deutschland erlaubt es uns leider nicht, gleichgeschlechtliche Paare zu behandeln.« Sie zuckt bedauernd mit den Schultern.
»Was reden Sie da?«, frage ich ratlos. »Meine Freundin hier ist schwanger.« Jetzt zucken die hellbraunen Augen irritiert zwischen Kati und mir hin und her, die warme, ruhige Stimme wird einen Tick schriller.
»Aber, dann verstehe ich nicht, was wollen Sie denn bloß?«
»Wir sind nicht lesbisch!«, kläre ich sie auf. »Ich bin eine alleinstehende Frau. Die Zahl meiner befruchtungsfähigen Eizellen neigt sich dem Ende zu. Ich bin von meinem Freund verlassen worden und kann mich nicht mit der Suche nach einem neuen Mann aufhalten. Ich will einfach nur ein bisschen Sperma, damit ich ein Kind haben kann. Ist das denn wirklich zu viel verlangt?« Die letzten Worte schreie ich ihr förmlich ins Gesicht und sie beginnt hektisch, unter der spiegelblanken Schreibtischplatte herumzufummeln. Wahrscheinlich sucht sie nach dem Knopf, um den Sicherheitsdienst zu alarmieren. Gibt es in einer Samenbank einen Sicherheitsdienst? Bevor ich es herausfinden kann, fasst Kati mich am Arm.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagt sie.
»Gern geschehen«, sagt Frau Baumüller erschöpft.
»Wir werden jetzt gehen.«
»Eine gute Idee.«
»Das hätte ich euch gleich sagen können«, erklärt Daniel, als wir ihn eine Stunde später im Sofa-Café im Schanzenviertel treffen. Auf dem Tisch vor uns stehen drei riesige bauchige Kaffeetassen sowie ein Teller mit überdimensionalen Erdnussbutter-Plätzchen.
»Vielen Dank, das nützt mir jetzt auch nichts mehr«, sage ich geknickt, lasse mich in der abgewetzten dunkelroten Couch nach hinten fallen und beiße herzhaft in einen Keks.
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