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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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nicht mit?“
    „ Sorry, keine Zeit. Aber ich hab euch nen Stadtplan beigelegt, ist alles eingezeichnet.“
    Er hatte uns ein ziemlich strammes Programm gesteckt, auf dem Rand der Zeitung standen mindestens ein Dutzend Adressen. Das ganze Wochenende über besichtigten wir Wohnungen, unterhielten uns zwischen Umzugskisten und in Schlafzimmern mit den Mietern, ließen uns von Vermietern die jeweilige Hausphilosophie erklären und uns belehren, dass Parken auf dem Bürgersteig asozial sei. Einer wollte anscheinend nur zölibatär lebende Singles, ein anderer nur Ehepaare als Mieter, das Übliche halt.
    Ein weiteres Wochenende und sechs Ortstermine später entschied ich mich für eine erstaunlich günstige, nagelneu hergerichtete Vierzimmerwohnung unterm Dach. Die vielen Schrägen seien der Grund dafür, dass sie noch frei und die Miete so gering sei, meinte der Vermieter, heutzutage bräuchten ja alle Leute Platz für ihre Schrankwände.
    Marie war diesmal nicht mitgekommen , und ich fühlte mich unkomplett. Bevor ich wieder zurückfuhr, traf ich mich auf einen Kaffee mit Carlos, der gleich um die Ecke wohnte und mir anbot, beim Umzug zu helfen.
    „Wo hast du deine Freundin gelassen?“
    Ich zuckte die Achseln. „Sag mal, wie lange bist du eigentlich schon beim Verlag?“
    „Weiß nicht. Vier, fünf Jahre ungefähr.“
    „Und w ie sind die Leute dort? Gibt’s ne Hackordnung oder so was?“
    Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich wäre vorsichtig mit Daumenhauer, der trägt seinen Namen nicht zu Unrecht. Der Rest ist in Ordnung. Wird dir gefallen, sind eigentlich alle gut drauf.“
    Seine Freundin schälte im Hintergrund Kartoffeln und nahm kaum Notiz von uns. Ich dachte zuerst, sie sei vielleicht taubstumm oder so, bis sie uns in schroffem Ton bat, uns zum Rauchen doch wenigstens ans Fenster zu setzen. Sie war noch sehr jung, aber ihr Auge schien schon das ganze Leid dieser Welt gesehen zu haben. Irgendwie fühlte ich mich an das Foto einer Trümmerfrau erinnert, das ich vor Jahren in einer Ausstellung über die Nachkriegszeit gesehen hatte.
    Ich wollte mir eins der verschrumpelten Äpfelchen nehmen, die in einem Korb auf dem K üchentisch lagen, aber in dem Moment hob sie den Kopf und sah mich mit einer Strenge an, die meinen Hunger in schlechtes Gewissen verwandelte. Sie brauchte den Apfel sicher nötiger, also legte ich ihn zurück und verabschiedete mich lieber.
    An einer Straßenbude aß ich eine Currywurst und dachte über Marie nach. Ein Schmetterling landete genau auf meiner Schulter, es war ein Zitronenfalter. Er klimperte unschuldig mit den Flügeln, und ich flirtete zurück. Ich hätte ihn gerne Marie gezeigt, aber an den klebrigen Plastiktischen standen nur die üblichen Imbisstypen herum. Irgendwas lief schief in meiner Welt, und ich hatte keinen Schimmer, was ich dagegen tun konnte.
    Carlos und seine Trümmerfrau kamen mir in den Sinn, doch das tröstete mich kein bisschen. Vielleicht waren beide ja glücklicher miteinander, als es den Anschein hatte, vielleicht hatte sie auch nur einen schlechten Tag. Ihre Laune konnte eine Million Gründe haben: Migräne, ihre Tage, ein eingerissener Fingernagel, Verdacht auf Zellulitis, was weiß ich, schließlich war sie eine Frau. Wie auch immer, das alles brachte mich bei Marie auch nicht weiter.
     
    Noch am selben Abend war Schluss. Dabei hatte ich mir vorgenommen, in die Offensive zu gehen und sie doch noch irgendwie dazu zu überreden, mit mir zu kommen. Also kaufte ich unterwegs ein paar Blumen, Antipasti und eine irre teure Flasche Burgunder.
    Marie war noch nicht zu Hause, was mir Gelegenheit bot, die Wohnung mit Hilfe einer Hundertschaft Teelichter in ein Flammenmeer zu verwandeln. Wie alle Mädchen mochte sie es romantisch, nur den Stehgeiger sparte ich mir, ich wollte schließlich allein sein mit ihr.
    Ich war eingeschlafen und schreckte hoch, als sie die Tür aufschloss. Ein großer Teil der Teelichter war bereits h eruntergebrannt, der Radiowecker neben meinem Bett zeigte 23:44 an. Marie kam ins Bild, auf Zehenspitzen. Ihr Blick wanderte von den Kerzen zu mir herüber.
    „Hi“, sagte ich und rieb mir die Augen.
    „Hi. – Was ist das?“ Sie wies auf den Wein.
    „Ein romantischer Abend. Ich hab uns auch was zu essen mitgebracht.“
    „Fein, ich sterbe vor Hunger – wenn ich nicht vorher am Kohlenmonoxyd ersticke.“
    Die Luft im Zimmer war in der Tat zum Schneiden. Sie öffnete das Fenste r und ließ den

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