Liebe oder so
grauer und unscheinbarer aus als bei unserem ersten Aufeinandertreffen, und ich selbst fühlte mich älter als Meister Yoda.
„Ich frage wohl besser nicht, wie ihr heut Nacht de inen neuen Job gefeiert habt“, meinte Christian und stieß Carolin mit dem Ellbogen an. Marie tötete ihn mit einem einzigen Blick.
„Schon gut“, er hob beschwichtigend beide Hände und stand auf, „ich bin eigentlich gar nicht hier.“
Caro wusste anscheinend auch ohne große Worte Bescheid, es genügte ihr, Maries Fingerspitzen zu berühren. Warum fielen mir bloß solche Mittel der Kommunikation nie ein, warum versuchte ich es immer mit Reden? Ich ließ die beiden alleine und bediente mich am Büffet. Chris hielt mir einen Kaffee hin.
„Lass mich raten, es gibt ein Problem?“
„Tja.“
„Der Umzug?“
Ich erzählte ihm von der Wendung, die die Dinge quasi über Nacht genommen hatten.
„Ist halt nicht einfach für sie. Versetz dich mal an ihre Stelle, du wärst auch nicht grad hin und weg.“
„Behaupte ich ja auch nicht“, sagte ich. „Mir schmeckt die Sache genauso wenig. Am liebsten würd ich abs agen.“
„Wenn du das machst, kenn ich dich nicht mehr.“
„Du hättest sie die Nacht hören sollen. Klang wie: „Lass mich hier allein zurück. Ohne mich schaffst du’s vielleicht.““
„Na komm, so schlimm wird’s schon nicht werden. Gestern um diese Zeit war doch noch alles in Ordnung.“
„Ich hab ja auch nicht behauptet, dass sie Schluss g emacht hat. Aber es ist so, als hätte sie schon die Weichen dafür gestellt, verstehst du?“
„Das gibt sich schon wieder. Wartet doch erstmal ab, du hast ja noch gar nicht angefangen mit dem Ga nzen.“
Aber die Stimmung war im Eimer, daran konnte selbst er nichts ändern. Während er uns seine Vorschläge für den Tag unterbreitete, aßen wir mit finsteren Mienen unser Frühstück, als sei es die letzte Mahlzeit vorm Schafott. Das Ende vom Lied war, dass Christian seine Bemühungen schließlich einstellte und wir sofort nach Begleichung unserer Rechnung wieder nach Hause fuhren.
44
Ein paar Tage später flog Chris zurück in die Staaten. Uns hatte das WG-Leben wieder, wobei mir durchaus auffiel, dass seit jenem Wochenende ein neuer Wind bei uns wehte. Nicht, dass wir öfter miteinander stritten als früher, das nicht. Aber jeder Handlung schien nun eine besondere, nicht mehr umkehrbare Bedeutung zuzukommen, und das machte das Zusammenleben nicht einfacher.
Carolin zog mit ihren letzte n Sachen zu ihrem neuen Freund. Einmal brachte sie ihn mit, aber wir hatten uns nichts zu sagen, und da mir der Typ im Ganzen unsympathisch war, machte ich mir gar nicht erst die Mühe, mir seinen Namen zu merken. Marie war im Umgang mit ihm etwas diplomatischer, aber auch sie mochte ihn nicht besonders, und so blieb es bei diesem einen Besuch.
Armin hatte ich schon eine Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen, aber er fehlte mir auch nicht unbedingt. Es gehe ihm nicht besonders gut, meinte ein gemeinsamer Bekannter, den ich in der Mensa traf.
Auch Marie zog sich an manchen Tagen von mir zurück. In winzigen Bewegungen schien sie mich abzustreifen wie einen alten Mantel. Nach wie vor unternahmen wir viel zusammen, die Tage verliefen ohne besondere Krisen, an den meisten wurde gelacht. Und doch nagten inzwischen Zweifel an mir. Ich kam mir manchmal vor wie ein Todgeweihter, dem man eine letzte Gunst gewährt, weil man weiß, dass er sowieso bald sterben wird.
Caro meinte am Telefon, ich bilde mir das nur ein und so lle mich nicht in irgendwelche Ideen verrennen. Und überhaupt, wenn Marie nicht mehr mit mir zusammen sein wollte, wäre sie längst abgehauen. Vielleicht hatte sie ja Recht. Ich nahm mir vor, die Dinge nicht so negativ zu sehen.
Eines Abends hatten wir im Rahmen einer längeren Di skussion über Jochen geredet, und es stellte sich heraus, dass Marie ihn seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Dies und die Tatsache, dass sie den Scherz mit dem Abführmittel lustig gefunden hatte, versöhnten mich wieder mit der Welt und suggerierten mir, dass am Ende alles gut würde.
Der Verlag hatte sich bereit erklärt, mir bei der Wo hnungssuche behilflich zu sein. Am Wochenende fuhren Marie und ich nach Dortmund und trafen uns mit einem der Zeichner, der mir den Kleinanzeigenteil in die Hand drückte.
„Carlos“, stellte er sich vor, „wie der Kater. Ich hab schon die Termine für euch ausgemacht, ihr müsst euch die Wohnungen nur noch angucken.“
„Kommst du
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