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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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deutlich ausmachen. Wozu hatte Turner sie in diese öde und skizzenhafte Szenerie hinein gestellt? Oder war es am Ende nur abgebröckelte Farbe?
    „Nicht so nahe herangehen, bitte“, sagte der Mus eumswärter streng, während er heran kam.
    „Schon gut, wir haben ihn bereits entdeckt“, antwortete ich.
    „Wen?“
    „Na, den Tod in Venedig!“ Marie lachte und zog mich weiter in den nächsten Saal.
    Wir verbrachten vier geschlagene Stunden im Museum, ehe man uns rauskehrte, die Wärter wollten endlich nach Hause. Es hatte längst aufgehört zu regnen, aber von mir aus hätten wir noch weitermachen können. Maries kunstgeschichtliches Wissen war begrenzt, dafür hatte sie ein gutes Auge für Kleinigkeiten, dauernd rief sie „Uh!“ und „Oh!“ und lief auf irgendein Bild zu, das ihre Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Die anderen Besucher waren ihr schnuppe, sie rannte sie fast über den Haufen.
    Chris und Carolin hatten wir unterwegs verloren, wir trafen sie erst am Ausgang wieder. Caro erstand im Museumsshop einen sündhaft teuren Bildband, wir anderen klauten Kleinigkeiten zur Erinnerung. Als der Kartenabreißer vom Eingang Marie erkannte und ihr nachsetzte, mussten wir rennen. Carolin kämpfte mit ihren hochhackigen Stiefeln und dem schweren Bildband und fluchte lauthals über uns.
    Wir aßen in einer Art Fernfahrer-Kneipe zu Abend, wo man uns ein überdimensioniertes Steak servierte. Christian und ich spielten Billard gegen zwei Typen, die aussahen, als seien sie einer Harley-Davidson-Reklame entsprungen. Zum Glück war nicht viel Geld im Spiel, die beiden ließen uns keine Chance. Wir tranken viel und lachten noch mehr und waren zumindest ein kleines bisschen wieder die Alten.
    „Auf uns“, rief Caro und erhob das Glas.
    „Auf deinen Job“, schlug Chris vor. Wir alle wechselten Blicke untereinander und waren mit einem Schlag nüchtern.
    „Auf ungelegte Eier“, murmelte Marie.
    Das Hotel, in dem wir abstiegen, war von der noblen Sorte, mir hätte eine Nummer kleiner auch gereicht. Aber Christian bekam über die Firma seines Vaters Prozente, und angesichts des geringen Preises hatten wir beschlossen, erst am nächsten Tag zurückzufahren. An der Bar nahmen wir ein letztes Glas zusammen und wurden dabei noch einmal richtig sentimental.
    Später dann, ich lag neben Marie in diesem riesigen Bett, sagte sie zu mir: „Das klappt nicht.“
    „Schon gut, ich bin auch ziemlich geschafft.“ Ich zog me ine Hand von ihrer Brust. „War ein langer Tag.“
    „Das mein ich nicht. Das mit uns klappt nicht.“
    Ich ließ einen Moment verstreichen und lauschte auf meinen Herzschlag. Er war schwach, aber immerhin noch vorhanden.
    „Wieso sollte es nicht klappen?“
    Sie drehte sich auf den Rücken. Es war fast vollständig dunkel in dem Zimmer, aber ein einze lner Lichtreflex tanzte auf ihrer Pupille.
    „So ne Wochenendgeschichte hatte ich schon mal, das geht auf Dauer nicht gut. Man packt alles in zwei Tage rein und kommt trotzdem immer zu kurz. Man versucht, keinen Streit zu kriegen, um das Beste aus der Zeit zu machen. Aber in Wahrheit spielt sich das Leben schon lange ganz woanders ab, nämlich dort, wohin jeder montags wieder zurückkehrt. Dann noch die ganze Fahrerei, das Benzingeld…“
    Ich hatte nicht alles mitgekriegt, das Wort Wochenendgeschichte geisterte noch durch mein Hirn.
    „Warum kommst du dann nicht einfach mit mir mit?“, fragte ich sie.
    „ Ganz einfach, wie?“
    „Ja“, sagte ich, „warum denn nicht?“
    „Weil ich nicht einfach so alles hinter mir abbrechen kann. Ich stecke mitten im Studium, falls du das vergessen hast.“
    „Unis kann man wechseln.“
    „Weil ich meine Freunde zurücklassen müsste und ich hier niemanden kenne. Weil… weil ich nicht immer wieder von vorne anfangen will. Weil ich keine Lust auf Ruhrpott habe. Weil…“
    „Weil?“
    „Ach…!“ Sie drehte sich weg.
    „Was?“
    „Ich will einfach nicht.“
     
    Das Frühstück wurde in einem lichtdurchfluteten Saal serviert, in dem ein riesiges Büffet aufgebaut war. Die meisten Tische hatte man schon abgeräumt, als wir eintrafen, die Kellnerinnen begannen damit, fürs Mittagessen einzudecken.
    Carolin und Chris saßen bereits an einem Tisch am Fenster, als wir eintrafen. Sie hatten Einzelzimmer genommen und sahen relativ frisch aus – was man von uns kaum behaupten konnte. Das nächtliche Krisengespräch hatte dazu geführt, dass ich nicht einschlafen konnte, Marie war es wohl ähnlich ergangen. Sie sah

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