Liebe oder so
hätte, dass du... na ja, was auch immer...“ Sie betrachtete den Helm in meiner Hand. Die Haustür wurde aufgeschlossen, und hinter Caros Rücken kam meine Nachbarin mit ihrem Hund ins Bild. Falls mein Anblick sie verwirrte, ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken.
„Komm doch erstmal rein“, sagte ich und zog Caro in die Wohnung. „Wie wär’s, wenn du uns ein bisschen Musik auflegst? Ich zieh mir nur schnell was über.“
Während ich mir ein frisches Hemd und eine Jeans raussuchte, erklang von nebenan die Stimme eines dieser unzähligen Stimmwunder, die mit ihrem Soul die Radioprogramme derzeit beherrschten und deren Namen ich mir nicht merken konnte.
„Wusste gar nicht, dass du so was hörst“, rief Carolin.
„Tu ich auch nicht, ist Sonjas Lieblings-CD. Die hat sie hier vergessen.“
„Vergessen?“
„Ja, vergessen. Du weißt schon, das ist, wenn man was liegen lässt, was man eigentlich wieder mitnehmen wollte.“
„Keine Frau würde ihre Lieblings-CD liegenlassen“, sa gte sie, „es sei denn-“
„Es sei denn was?“, fragte ich.
„Es sei denn, sie hat vor, wieder zurückzukommen.“
„Vergiss es, der Zug ist abgefahren .“ Ich winkte ab. „Auch was zu trinken?“
„Nein danke, ich bleib nicht lange.“ Sie ließ sich aufs Sofa fallen. „Wollte nur mal sehen, was du so treibst.“
„Und fährst dazu so nen Umweg? Find ich mächtig nett von dir.“ Ich setzte mich mit meiner Apfelschorle zu ihr.
„Und, wie isses dir?“
„Bisschen groggy, aber an und für sich geht’s mir so weit ganz gut.“
„Vermisst du sie?“
„Sonja?“
„Quatsch, ich mein die Beatles.“
„Doch, schon .“ Die Schorle stieß mir auf, ich hatte bereits die Lust darauf verloren. Ich wollte hinzufügen „Sehr sogar.“, aber das kam mir irgendwie verlogen vor. Mir ging’s dreckig, ich wusste, dass ich mich gehen ließ, aber das tun wir schließlich alle mal. Die ganze Zeit über hatte ich Sonja die Schuld dafür gegeben. Doch die Wahrheit war, dass sie mir viel weniger fehlte, als ich zugab.
„Aber weißt du, wenn sie wieder hier wäre, würde vermu tlich alles wieder von vorne anfangen, ich hab dafür keine Energie mehr.“
„Hm.“ Sie schnappte sich meine Flasche und nahm e inen tiefen Zug. „Klingt ziemlich endgültig, wie?“
„Tja.“
„Und was war mit deiner Verabredung? Erzähl mal!“
„Was?“
„Na, deine Verabredung vorgestern!“
„Ach, das“, sagte ich, „es war ja keine Verabredung. Ich wollte nur meine Jacke zurückhaben.“
Ich erzählte ihr von Johanna oder Marie und dem Telefonat mit ihrem Freund.
„Puhh, wenn du mich fragst, hört sich das Ganze gewaltig nach Ärger an“, meinte sie schlie ßlich.
„ Dagegen kann ich wohl nicht viel machen. Am meisten stinkt mir, dass ich immer noch nicht weiß, wo ich mir meine Jacke abholen kann. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auf den Typen zu warten.“
„U nd dich womöglich mit ihm zu prügeln, weil er denkt, du hättest was mit seinem Mädchen.“
„Er wird hoffentlich nicht so dämlich sein, seine Theorie diesbezüglich noch weiter auszubauen“, sagte ich.
„Immerhin zeigt sein Anruf doch, dass er nicht der Alle rhellste ist, oder?“
„Na ja, keine Ahnung. Aber wo wir gerade dabei sind: Wie läuft’s mit Armin denn so?“
„Wie kommst’n jetzt auf Armin?“
„Nur so. Du machst nicht grad nen glücklichen Eindruck.“
Sie zuckte hilflos die Achseln und biss sich auf die Unterlippe.
„ Wie schlimm ist es denn diesmal?“
„Frag nicht.“
Sie legte ihren Kopf in meinen Schoß und ließ die Beine über die Sofalehne baumeln. Es war nicht unangenehm, so dazusitzen, aber ich musste mit aller Macht gegen das Gähnen ankämpfen, das mich in Schüben überkam. So ein langer Donnerstag war schlichtweg lähmend, normalerweise ging ich an solchen Tagen früh schlafen.
Caro lin wollte nicht nach Hause, also überließ ich ihr mein Bett und richtete wieder mal die Klappcouch her, mir blieben ohnehin nur noch ein paar Stündchen. So viel zum Thema: „Ich bleib nicht lange.“ und „Wollte nur mal sehen, was du so treibst.“
Ich machte mir’s einigerm aßen bequem und löschte das Licht. Draußen auf dem Gang huschte Caro in Unterwäsche vorbei, aber das löste körperlich rein gar nichts bei mir aus, ich war fix und alle.
10
Am Morgen musste ich früh raus. Der Gebietsleiter wollte vorbeischauen, und mein Chef hatte vor, den Laden auf die Schnelle in dessen Sinne aufzupeppen.
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