Liebe oder so
hier nicht unwohl, und da ich keine Lust hatte, mich noch einmal in diesen Schuppen von letzter Woche zerren zu lassen, hatten wir beschlossen, es mal wieder mit dem Roadhouse zu versuchen. Dass ich Johanna oder Marie oder wie immer sie hieß noch einmal in dem anderen Laden begegnen würde und meine Jacke einfordern könnte, hielt ich ohnehin für unwahrscheinlich.
Es gab keine Modedrinks, sondern nur die alten S achen, das Bier trank man aus der Flasche. Hier hatte ich meinen ersten Zungenkuss von diesem Mädchen aus der zehnten Klasse bekommen, mich an der Theke mit Jörg besoffen und Jutta kennengelernt, hier...
„Was ist?“, fragte Carolin.
„Nichts“, sagte ich , „nur ein Anflug von Nostalgie.“ Ich drehte mich zu ihr hin. „Sag mal, du hast noch gar nichts erzählt. Wie ist es denn heute zwischen Armin und dir gelaufen?“
„Keine Ahnung, wir haben uns nur kurz gesehen.“
„Dicke Luft?“
„Hm-m.“ Für ihre Verhältnisse war sie ausgesprochen einsilbig. Sie hatte bereits v or der Haustür auf mich gewartet, und ich war froh gewesen, mir den Smalltalk mit Armin diesmal sparen zu können.
„Ich bin von dir aus direkt zur Arbeit gegangen“, sagte sie, „danach war ich noch bei ner Freundin. Bin erst ne halbe Stunde bevor du kamst heimgekommen, da blieb nicht viel Zeit zum Streiten.“
„Worum geht’s diesmal?“
„Weiß ich selbst nicht mehr“, gab sie zu. „Ich glaube, ursprünglich ums Geschirrspülen, das war Anfang der Woche. Aber dann kam immer mehr dazu, und im Moment rechnen wir grad sämtliche Fehler der letzten Jahre auf.“
„Kenn ich. Wer führt?“
„Ich. Obwohl er das ganz anders sieht. Darüber streiten wir zurzeit eigentlich am meisten.“
„Und wie soll’s jetzt weitergehen?“, fragte ich.
„Was meinst du?“
„Na, werdet ihr nachher miteinander weiterstreiten?“
„Ehrlich gesagt, hab ich gehofft... na ja...“
„Hör mal, Caro, ich stell dir mein Bett ja gerne mal für ne Nacht zur Verfügung, aber dir ist schon klar, dass das keine Lösung ist, oder?“
„Ja, klar“, meinte sie.
„Außerdem brauch ich auch noch ein bisschen Privatsphäre“, fügte ich hinzu.
„Was meinst du?“
„Na, eben Raum für mich. Du verstehst schon, ne eigene Bude, tun und lassen können, was man will und so weiter.“
„Das hattest du doch auch nicht, als du mit Sonja zusammen warst“, bemerkte sie.
„Schon, aber das war was anderes.“
„Ach so.“ Endlich hatte sie’s begriffen.
„Tja, hätt ich mir auch nie träumen lassen, dass ich mal zu ner Frau sagen würde, ich hätte mein Bett lieber für mich alleine.“
„Dann bin ich also was ganz Besonderes für dich?“, fragte Carolin.
„ Was meintet ihr, Majestät?“
„Charmeur.“ Wir stießen miteinander an. „Könnte sogar besser sein, wenn ich zurückgehe“, meinte sie schließlich. „Vielleicht renkt sich ja alles nochmal ein.“
Ich für meinen Teil hatte da so meine Zweifel. Aber das musste sie schon selbst herausfinden.
„Kommst du mit tanzen?“, fragte sie.
„Lass mal, Erasure konnte ich noch nie leiden.“
„Komm schon !“ Sie zog einen Schmollmund.
„Ich warte lieber noch.“ Mir fiel auf, dass die Umst ehenden auf uns aufmerksam wurden.
„Och, bitteee!“ Carolin nahm mich bei der Hand, ich ließ mich zur Tanzfläche führen und wusste schlagartig wieder, wieso ich diese Musik nicht mochte: Man konnte nicht darauf tanzen, ohne sich vollständig lächerlich zu machen. Selbst der Popperstil half da nicht mehr weiter.
Außer uns tanzten nur eine Hand voll Leute. Zum Glück waren ein paar verhuscht aussehende Typen darunter, die ihre Arme noch ein bisschen linkischer herumschlenkerten als ich. Trotzdem fühlte ich mich beobachtet, während ich versuchte, meine Bewegungen dem Rhythmus anzupassen, und ich war deshalb froh, dass das Stück durch etwas Rockigeres abgelöst wurde.
Caro tanzte wirklich gut, aber das traf wohl auf die Mehrzahl der Frauen zu. In der Hinsicht kann man als Mann nur verlieren. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe darin fast zwanzig Jahre Erfahrung. Wenn ich tanze, tanze ich für mich alleine, und ich brauche dazu viel Platz, vor allem, wenn der Diskjockey Madness auflegt. Sonja hatte mal behauptet, ich sähe dabei aus wie ein Hubschrauber.
Gloria Estefan sang jetzt, es wurde eng auf der Tanzfläche. Ich verlor Carolin aus den Augen, eine Reihe blutjunger Mädchen mit tief hängenden Jeans setzte sich direkt vor mir in Szene. Nichts gegen frische und
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