Liebe oder so
ihre Wollpullover vor. Das unvermeidliche El condor pasa ihrer Panflöten vermischte sich mit einer besonders schwermütigen Version von Kalinka , das zwei Russen an der nächsten Ecke spielten.
D ie Kinder wurden von ehrenamtlichen Betreuern zum Spielen und Malen animiert. Am liebsten hätte ich mich dazu gesetzt und mich später von Carolin abholen lassen. Auf die Einkäufe passte ein Fahrer der Busgesellschaft auf. Er stritt gerade mit einer Kundin herum, die offenbar ein Problem damit hatte, dass das Bewachen kostenpflichtig war.
„Wem kommt denn der Erlös zugute?“, blaffte sie den Mann an, der einen Kopf kleiner war als sie selbst.
„Wie?“
„Na, wird das Geld wenigstens gespendet? Oder b ezahle ich damit Ihr Gehalt?“
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung, was mit dem Geld geschieht. Ich weiß nur, dass ich hier auf Ihre Einkäufe aufpasse-“
„Das ist noch nicht raus“, unterbrach sie ihn.
„... und dass dieser Service einsfünfzig kostet.“
„Ja , aber warum, das frage ich Sie.“
Meine Tüten waren inzwischen schwer wie Blei. Die Frau war sehr gut angezogen und g eschminkt, sicher hatte sie es nicht nötig, um Kleingeld zu feilschen, das war mehr eine Frage des Prinzips. Im Grunde gab ich ihr ja Recht, mir leuchtete das mit den ganzen Gebühren auch nicht ein, sollten die doch froh sein, dass die Leute kauften wie die Wahnsinnigen. Aber mir war an dem Tag nicht nach Haarspaltereien, meine Leidensfähigkeit hatte auch ihre Grenzen.
„Darf ich mal durch?“, fragte ich und zwängte mich an ihr vorbei ins Innere des Busses.
„Wenn Sie erlauben - ich war vor Ihnen dran“, rief sie mir prompt nach.
Ich stellte die Taschen in einer Ecke ab und zählte nach. „Sieben Tüten“, ich dem zahlte dem Busfahrer seine einsfünfzig, „müssen Sie wissen, was da drin ist?“
Er sah von mir hinüber zu der Frau, anscheinend kon nte er sich nicht entscheiden, was zu tun sei.
„Mit der Dame können Sie sich gleich weiter streiten, ich bin schon weg. Sagen Sie mir nur, was ich tun muss, dami t ich die Sachen nachher zurückbekomme. Brauche ich ein Passwort oder so?“
Endlich kam er in die Gänge und riss von einem Blöckchen, das im Fahrerhaus lag, einen feuerroten Zettel ab, der eine Nummer trug. Dann kritzelte er die Nummer auf einen Kofferanhänger und schlang ihn um die Griffe unserer Plastiktüten.
„Sie müssen e infach den Zettel vorlegen, das genügt.“
Wir ließen die beiden wieder allein und fuhren damit fort, die Liste abzuarbeiten. Nach einer weiteren Stunde waren wir nicht wesentlich weiter gekommen, für meinen Geschmack hinkten wir weit hinter unserem Zeitplan her. Die Anfangserfolge hatten wohl meinen Blick für die geringe Wahrscheinlichkeit getrübt, die gewünschten Sachen tatsächlich alle an einem einzigen Tag zu finden. Es ging bereits auf Mittag zu, wir beschlossen, uns erstmal was Essbares gegen den Frust zu besorgen. Mir war nach Nudeln, Caro nach Fast-Food. Nachdem wir bei drei Italienern vergeblich nach einem Tisch fragten, musste ich passen, und wir landeten beim großen M.
D rinnen herrschte immer noch derselbe „Du willst ein Super-Sparmenü mit Fritten und großer Cola“-Duft vor, ich fragte mich schon lange, ob wohl irgendwo auf dieser Welt Forscherteams an einem Parfum arbeiteten, das einem suggerierte: „Du willst ein paar braune Lederschuhe für neunundneunzig Euro.“ Warum sollte dieser Effekt auf den Lebensmittelbereich begrenzt bleiben?
Jedenfalls standen wir an einer dieser Endlosschlangen an, vor uns eine Gruppe Schüler in Baggy Trousers und Schirmmützen, und ich besah mir zweifelnd die Menüvorschläge auf der Anzeig etafel, die so infantile Namen wie „Merry-X-Mac“ oder „Jingle-Burger-Happy-Size“ trugen. Die Jungs vor uns feixten bei der Bestellung herum und zogen mit randvollen Tabletts ab, ich orderte nur eine Apfeltasche und ne Cola.
„Sagtest du nicht, du hättest tierischen Hunger?“, fragte Carolin, als wir uns setzten. Draußen hetzten die Massen vorbei, beladen mit Tüten und Taschen. Ein Kaufhaus in der Nähe verteilte Luftballons, jeder Zweite lief damit rum, einer hatte sich die Schnur sogar zwischen die Zähne geklemmt, weil er keine Hand mehr frei hatte.
„Hab ich auch. Aber ich krieg dieses Zeug in letzter Zeit nicht mehr runter.“
„Vielleicht rebelliert ja dein Unterbewusstsein gegen Globalisierung und den US-Imperialismus?“
„Ich glaube eher, dass mein Magen gegen die Inhaltsstoffe rebelliert.“
Die
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