Liebe ohne Schuld
nicht zulassen. Bei deiner Hochzeit sollte ich die Informationen erhalten, doch er hat mich belogen. Nachdem du weggelaufen warst, hat er mir wieder gedroht. Ich hatte wirklich keine andere Wahl!«
»Laß mich los, Evan!« Nachdem er gehorcht hatte, sagte sie ganz ruhig: »Dein Vater ist tot. Er war es schon damals, aber ich nicht. Du hast dir um einen Toten mehr Sorgen gemacht als um das Leben deiner eigenen Schwester! Ich verachte dich, Evan!«
Sie hatte die Worte so zischend hervorgestoßen, daß er unwillkürlich zurücktrat. »Arielle, bitte! Versuch doch, mich zu verstehen!«
»Ich bin hergekommen, um dir endlich meine Meinung zu sagen. Ich halte dich für einen ziemlich schäbigen Menschen, Evan.«
»Mein Vater ist nicht tot! Er wäre am Galgen gestorben, wenn ich ihn nicht gerettet hätte!«
»Du lügst. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie die Bediensteten vor langer Zeit über das schandbare Leben und das traurige Ende des John Goddis getratscht haben, doch lassen wir das! Wenn du dir so viele Gedanken um mich machst, verstehe ich nicht, daß Etienne hier ist.« Sie wartete, doch als er schwieg, fuhr sie fort: »Offenbar kannst du mir die Frage nicht beantworten. Adieu, Evan! Ich möchte dich niemals wiedersehen!«
Ihre Finger hatten den Türknauf bereits gedreht, als er flüsternd die Antwort hervorstieß. »Etienne DuPons liebt dich. Er hat mich um Vermittlung gebeten. Er haßt seinen Vater, den er ja nicht einmal gut kannte, wie du sehr wohl weißt, Arielle! Er hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit Paisley Cochrane.«
Sekundenlang war Arielle unsicher, doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie konnte die Nacht nicht vergessen, in der Paisley sie gezwungen hatte, seinen Sohn zu befriedigen. Wieder hörte sie Etiennes Stöhnen, fühlte, wie seine Finger in ihrem Haar wühlten, während er ihren Kopf gegen seinen Körper preßte. Zitternd riß sie die Tür auf. »Nein, nein, verdammt!«
»Du bist eine hartherzige Frau geworden, Arielle«, stellte Evan fest. »Der arme Etienne hat jetzt überhaupt nichts mehr!«
Arielle fuhr herum. »Er verdient auch nichts! Adieu, Evan!«
Er erwiderte nichts, sondern sah ihr nur schweigend nach, wie sie die Halle durchquerte und sich noch kurz mit Turp unterhielt, bevor sie das Haus verließ. Er war keineswegs völlig am Boden zerstört, denn er hatte Arielles kurzes Zögern sehr wohl bemerkt und überlegte bereits, wie er diese Unsicherheit noch verstärken könnte. Pfeifend stieg er die Treppe zu Etiennes Schlafzimmer hinaus.
»Nun, wie ist es gelaufen?«
»Mein Halbbruder ist ein schäbiger, gemeiner Mensch«, stellte Arielle erleichtert fest.
Doch auch für Geordies Ohren klang ihre Antwort nicht restlos überzeugend. Er musterte seine Herrin unauffällig von der Seite, sagte jedoch nichts.
»Wissen Sie, wozu ich jetzt Lust habe, Geordie?«
»Nicht im mindesten.«
»Ich möchte zum Bunberry Lake reiten, aber allein. Dort ist es schön einsam, und ich kann in Ruhe nachdenken.«
»Meinen Sie den winzigen See zwischen dem Land der Leslies und dem der Drummonds?«
»Genau den« erwiderte sie lachend, »doch wie Sie das sagen, könnte man meinen, er sei nur eine schlammige Pfütze!«
Er erwiderte nichts, sondern freute sich, daß sie endlich einmal mit ihm gescherzt und ihn angelächelt hatte. Vielleicht ging es ihr ja jetzt wirklich besser, nachdem sie Evan Goddis ins Gesicht gesehen hatte! Er verabschiedete sich und sah ihr nach, bis sie außer Sichtweite war.
Als Arielle ganz langsam auf den blaugrün schimmernden See zuritt, hob Mindle plötzlich den Kopf und schnaubte leise. Arielle erstarrte.
Dann sah sie den Mann. Auf die Entfernung konnte sie ihn nicht erkennen, doch sie erkannte sein Pferd. Es war Ashes. Burke Drummond war nach Hause zurückgekehrt.
Drittes Kapitel
Sofort wurde Arielle von längst vergessenen Gefühlen überschwemmt und die Erinnerungen an den Frühlingsnachmittag vor drei Jahren überfielen sie mit aller Macht. Aus der Entfernung sah Burke genauso aus wie damals. Er stand unter einer Eiche und wirkte groß, etwas gebeugt und sehr kraftvoll.
Erst mit einiger Verspätung begriff Arielle, daß Burke nach Hause gekommen war, weil der Krieg inzwischen vorüber war. Sie hatte sich selbst so von der Welt abgeschlossen, daß sie den Ereignissen in Frankreich nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Sie hatte nur gehört, daß Napoleon inzwischen auf einer Insel gefangengesetzt worden war.
»Kommen Sie herüber!« rief Burke und
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