Liebe ohne Schuld
einen großen Mann, der stark und kräftig genug war, um sie ganz leicht überwältigen und schlagen zu können. Sein gutes Aussehen machte sie nur noch mißtrauischer. Von dem Helden ihrer Jungmädchenträume war nichts mehr übriggeblieben.
Nach dem Tod ihres Vaters hatte Evan ihr weiteres Leben bestimmt, und sie hatte den Earl of Ravensworth aus ihrer Erinnerung gestrichen.
Sie sah, wie er sich über die Haare strich, in denen der Wind spielte, und betrachtete seine dunklen, dichten Augenwimpern. Sein Gesicht war streng und wies ihn unmißverständlich als Führungspersönlichkeit aus, die keinen Widerspruch duldete. Arielle fühlte plötzlich nur noch kalte, nackte Furcht. Er war ein Mann, und sie durfte ihm nicht vertrauen. Nein, sie wollte seine Freundschaft nicht, denn sie war weder leichtgläubig noch dumm.
»Arielle?«
»Ja?«
»Was ist los? Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie quält?«
Ein gutaussehender, charmanter Mann, der einen einwickelte, bevor er zuschlug. Er streckte seine Hand nach ihr aus, eine starke, braune Hand, die doch so leicht verwunden und quälen konnte. Mit der Zunge befeuchtete Arielle ihre ausgetrockneten Lippen. Im Gegensatz zu Evan war der Earl of Ravensworth von Kopf bis Fuß eine eindrucksvolle Erscheinung. Doch dann sah sie ihn plötzlich nackt vor sich, wie Etienne damals vor dem Kamin. Sie schnappte förmlich nach Luft und sprang auf.
»Weshalb wollen Sie mir nicht sagen, was los ist?« fragte er mit sanfter, beruhigender Stimme.
»Ich muß weg! Adieu!« Rasch lief sie zu Mindle hinüber und stieg auf, doch als sie feststellte, daß sie vergessen hatte, das Pferd loszubinden, erstarrte sie sekundenlang vor Angst.
Zitternd beobachtete sie, wie er langsam aufstand, sich sorgfältig die Hose abklopfte und zu ihr herüberkam. Nachdem er Mindles Zügel gelöst hatte und sie Arielle reichte, stellte er fest, daß ihre Pupillen vergrößert und starr waren.
Er vergaß seinen Ärger und seine Enttäuschung und fragte sich, was mit ihr los war.
»Ich möchte Sie gern besuchen«, sagte er sehr förmlich. »Werden Sie morgen zu Hause sein?«
»Weshalb?«
Er lächelte. »Um unsere Freundschaft zu erneuern. Ich fürchte, ich habe mir da etwas vorgenommen, aber vielleicht werden Sie ja dann mit mir reden.«
Was sollte sie ihm sagen? »Nun gut«, entgegnete sie, und er ärgerte sich über ihren schnippischen Ton. Was wollte sie eigentlich? Weder sah er scheußlich aus, noch war er alt. Er hatte noch alle Zähne und war schlank, außerdem besaß er einen Titel und reich war er auch. Also, was gefiel ihr denn nicht, zum Teufel?
»Ich werde nach dem Mittagessen kommen. Auf Wiedersehen, Arielle.«
Unsicher sah sie ihn an. Wenn Dorcas in der Nähe war, konnte ihr in Rendel Hall nicht allzu viel passieren. Also nickte sie nur kurz und ritt schnurstracks davon.
Burke rührte sich nicht von der Stelle, sondern starrte ihr nur wortlos nach. Das war nicht mehr die Arielle, an die er sich erinnerte, doch er begehrte sie unverändert.
Achselzuckend tätschelte er Ashes‘ Nase. »Nun, alter Junge! Ich fürchte, da wartet eine Aufgabe auf uns!«
Ashes wieherte zustimmend.
»Was hat sie nur? Weshalb behandelt sie mich, als ob ich die Pest hätte?«
Doch diesmal wußte selbst Ashes keine Antwort.
Arielle fror, ihre Zähne klapperten gegeneinander. Sie lag nackt mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Bett, und ihre Hände und Füße waren mit Satinbändern an die Bettpfosten gefesselt. Natürlich war auch er da. Völlig angezogen stand er vor dem Kamin und ließ eine Reitpeitsche leicht gegen seine Handfläche wippen. Sie jammerte nicht, denn es würde ohnehin nichts nützen, sondern die Qual nur verschlimmern. Sie starrte angstvoll auf die Peitsche, deren Schläge sie schon zu spüren glaubte. Diesmal lag sie allerdings auf dem Rücken, während sie normalerweise auf dem Boden kniete.
Und plötzlich waren noch andere Männer im Raum, die Brandy tranken, lachten und sich lautstark unterhielten, doch Arielle konnte kein Wort verstehen. Einer sah zu ihr herüber und machte eine obszöne Geste, und kurz darauf war sie von den Männern umringt, die sie anstarrten und Reitpeitschen schwangen. Irgendwann packte einer mit seinen dicken Fingern ihr Kinn und küßte sie brutal. Sie wandte sich ab, wollte schreien und fühlte plötzlich, wie zahllose Hände ihren Körper betasteten. Sie versuchte noch einmal zu schreien, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. Und dann war nur noch Paisley da.
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