Liebe ohne Schuld
streckte die Hand aus, doch Arielle zuckte automatisch zurück.
»Ich besitze also absolut nichts mehr, Sir?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur noch ein bißchen Zeit. Ich hoffe, daß man Sie noch einen Monat schonen wird, doch das weiß ich noch nicht.«
Er überlegte, wohin sie sich wenden könnte. Ihren Halbbruder, Evan Goddis, konnte er absolut nicht leiden, doch wen hatte sie sonst? »Wissen Sie, wo sich Ihre Halbschwester im Augenblick aufhält?«
»Nein.« Dann hob sie den Kopf. »Ganz offenbar habe ich in einer Traumwelt gelebt. Ich habe zwar weder Mr. Jeweils noch Mr. Chaucer völlig vertraut, aber da ich sie habe gewähren lassen, ist wohl alles meine eigene Schuld.«
Das ist die Wahrheit, dachte er und es schmerzte ihn. »Ich habe mir einige Gedanken über Ihre Lage gemacht, Arielle. Weshalb heiraten Sie denn nicht wieder?«
Sie zuckte zurück und wurde noch blasser, falls das überhaupt möglich war, doch sie sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf.
»Seit dem Tod Ihres Mannes ist zwar noch kein ganzes Jahr vergangen, doch Sie haben keinen Spielraum mehr. Sie sind doch eine wunderschöne, junge Frau, und es gibt bestimmt viele Gentlemen, die …«
»Nein! Bitte, erwähnen Sie das nie wieder, Mr. Lapwing. Wenn Sie mit Lord Ravensworth sprechen, dann richten Sie ihm bitte aus, daß mein Besitz jetzt sehr billig zu haben ist.«
»Ja, das werde ich tun.«
»Gut«, sagte Arielle. Wenn Burke erfuhr, daß sie arm war, würde er sie vielleicht endlich in Ruhe lassen. »Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt, Sir, aber ich muß noch über Verschiedenes nachdenken.«
Als Mr. Lapwing Burke von der veränderten Situation berichtete, lächelte dieser und rieb sich die Hände. »Jetzt habe ich sie!« stieß er hervor.
Und er schmiedete bereits Pläne, bevor Mr. Lapwing noch recht aus dem Haus war.
Sechstes Kapitel
Arielle traute ihren Augen nicht. Sie las Nestas Brief wieder und wieder und hätte am liebsten vor Erleichterung getanzt.
Nesta und Baron Sherard befanden sich augenblicklich in Boston und forderten Arielle auf, zu ihnen zu kommen und bei ihnen zu bleiben. Erst jetzt hatte sie nämlich Arielles Brief erreicht, in dem diese ihnen Paisleys Tod mitgeteilt hatte und der ihnen von Station zu Station ihrer Reise nachgeschickt worden war.
Arielle schickte ein Dankgebet zum Himmel und konnte es kaum erwarten, Dorcas die Neuigkeit mitzuteilen. Als sie in die Halle trat, sah sie gerade noch, wie Evan Philfer etwas zusteckte, was dieser rasch verschwinden ließ. Sie hatte schon immer vermutet, daß ihr Butler bestechlich war, doch nun hatte sie endlich den Beweis. Jetzt war ihr das allerdings völlig gleichgültig, denn in Kürze würde der alte Mann ohnehin seine Quittung bekommen.
Fröhlich begrüßte sie Evan. »Wie schön, daß du kommst, Evan. Da kann ich dir ja gleich meine Neuigkeit mitteilen.«
Philfer fuhr herum und erbleichte, doch Evan kam lächelnd zu ihr herüber. »Guten Morgen, meine liebe Schwester! Was gibt es denn Neues?«
»Du bist der erste, der es erfährt, Evan. Ich werde in Kürze nach Boston reisen.« Als er sie verständnislos anstarrte, fuhr sie fort: »Nesta ist dort! Sie hat mich eingeladen, und ich kann so lange bleiben, wie ich möchte!«
»Und was wird in der Zwischenzeit aus Rendel Hall und deinen Verpflichtungen?«
»Sprichst du von Paisley Cochranes Haus? Das wird schon alles seinen rechten Gang gehen.« Arielle hatte nicht die Absicht, ihm ihre schwierige Lage zu schildern. Er würde es noch früh genug erfahren, wenn die Gläubiger kamen und alles auflösten. Geordie war der einzige, um den sie sich sorgte, und sie wollte ihn gern mit nach Amerika nehmen, falls er damit einverstanden war.
»Dann wünsche ich dir alles Gute, Arielle! Soll ich in deiner Abwesenheit nach dem Rechten sehen?«
Am liebsten hätte sie ihm ins Gesicht gelacht, denn seine Habgier war so offensichtlich. »Aber natürlich, Evan. Du wirst dich bestimmt um alles kümmern.«
»Oh, aber selbstverständlich! Du kannst mir völlig vertrauen.«
Da es jedoch bestimmt nicht möglich war, ihm Vollmachten zu übertragen, ohne daß er von der Sache mit Jeweils und Chaucer Wind bekam, machte sie einen Rückzieher. »Nun, vielleicht sollte ich es doch lieber nicht tun. Ich möchte es mir noch überlegen.« Weitere Erklärungen gab sie ihm nicht, sondern lächelte ihn nur strahlend an. »Bist du eigentlich aus einem bestimmten Grund gekommen, Evan?«
Am liebsten hätte er sie erwürgt! »Nein«,
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