Liebe ohne Schuld
brachte er mühsam heraus. »Eigentlich nicht. Wann wirst du aufbrechen, und wer wird dich begleiten?«
»Ich fahre am Donnerstag nach Southampton.«
»Das ist ja schon in zwei Tagen!«
»Genau!« Sie hatte sich blitzartig entschieden, weil sie wußte, daß sie in einem so großen Hafen mit Sicherheit in der nächsten Zeit ein Schiff erreichen würde. »Ich werde Dorcas und Geordie mitnehmen, wenn sie einverstanden sind. Doch jetzt habe ich allerhand zu tun, lieber Bruder. Ich bin sicher, daß Philfer dich ebenso gern hinausbegleitet wie er dich hereingebeten hat.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging summend davon, ohne sich weiter um ihn zu kümmern.
Etienne DuPons war aufgeregt und nervös, und außerdem schwitzte er beträchtlich, in seinem langen, schwarzen Mantel. Er hätte gern auf diese alberne Verkleidung verzichtet, doch Evan hatte darauf bestanden.
»Sie darf uns keinesfalls erkennen!« hatte er gesagt. »Später spielt es dann keine Rolle mehr.«
Etienne hielt sein Pferd sorgfältig im dichten Schatten einer gewaltigen Eiche. Als Vorreiter erwarteten sie Geordie, den er aus dem Verkehr ziehen sollte, wie man das nannte.
Und wo blieb Arielle?
Als er an sie dachte, mußte er sekundenlang die Augen schließen. Er sah wieder, wie sie vor ihm kniete, fühlte, wie ihre weiche Hand ihn streichelte und ihr Mund ihn berührte … Sein Stöhnen brachte ihn rasch wieder in die Gegenwart zurück.
Wo blieb sie nur?
Als sich plötzlich Hufschlag näherte, zog er eine Pistole aus seinem Gürtel, entsicherte sie und spähte vorsichtig durch das Laub. Erst als er erkannte, daß der Reiter ein Fremder war, zog er sich leise fluchend tiefer in den Schatten zurück.
Wo, zum Teufel, blieb sie nur?
Während Burke im Schatten eines Ahornbaums wartete, dachte er daran, daß er Arielle eigentlich noch nie gesagt hatte, daß er sie liebte. Daß er sie bereits seit drei Jahren liebte und sie heiraten wollte. Seit dem Freitag, an dem er sie geküßt und wütend zurückgelassen hatte, hatte er sie nicht mehr gesehen. Und als er von Mr. Lapwing erfahren hatte, daß sie alles verkaufen und davonlaufen wollte, war er beinahe verrückt geworden.
Er schüttelte den Kopf, während er weiterhin die Straße beobachtete. Es stimmte, daß er verrückt war, denn kein normaler Mensch würde tun, was er vorhatte. Ach, zum Teufel! Als er von Mr. Lapwing gehört hatte, daß Arielles Anwalt und ihr Verwalter sie um ihr gesamtes Vermögen gebracht hatten, war er auf der Stelle nach Rendel Hall geritten, wo man ihn erwartungsgemäß wieder nicht eingelassen hatte.
Nachträglich war er fast froh darüber, denn unter Umständen hätte er voreilige Dinge getan. Wieder ging ihm das Gespräch mit Mr. Lapwing durch den Kopf. Wenn er ihn an diesem Tag nicht aufgesucht hätte, hätte er niemals erfahren, was Arielle plante. Doch er war hingegangen.
»Falls Sie noch an dem Besitz interessiert sind«, hatte Mr. Lapwing gesagt und nervös einen Federhalter zwischen den Fingern gedreht, »dann können Sie ihn jetzt bestimmt günstig von den Gläubigern erwerben.«
Burke hatte den Kopf geschüttelt. Er hatte den Besitz ja nur kaufen wollen, um Arielle die Möglichkeit und die Mittel zu geben, sich frei für ihn zu entscheiden. Jetzt mußte er sich etwas anderes einfallen lassen.
»Für Lady Rendel ist Ihre Entscheidung ohnehin unerheblich.«
»Wie bitte?« hatte er gefragt. »Es tut mir leid, aber ich habe an etwas anderes gedacht. Was ist unerheblich?«
»Ihre Entscheidung, Mylord. Lady Rendel hat eine Einladung von ihrer Schwester aus Boston erhalten und wird morgen bereits abreisen. Im Augenblick befinden wir uns zwar noch im Kriegszustand mit den Amerikanern, doch es ist mir gelungen, eine Passage auf einem holländischen Handelsschiff zu bekommen.«
Burke hatte ihn nur angestarrt und begriffen, daß er unverzüglich handeln mußte.
»Ich bin tatsächlich verrückt«, brummte er vor sich hin, und sein riesiger, etwas grobknochiger Hengst Dandy, den Arielle nicht kannte, schnaubte, als wenn er ihm zustimmen wollte.
Als sich Hufschläge näherten, verhielt Burke sich absolut ruhig. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das Geordie – und damit Joshuas Aufgabe. Er winkte kurz und sah, wie Joshua sein Zeichen erwiderte.
An dieser Stelle führte die Straße fast geradeaus, so daß sie Geordie bereits sehen konnten, als er noch ungefähr zehn Meter von ihnen entfernt war. Rasch zog sich Joshua die Maske vor das Gesicht und galoppierte aus
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