Liebe ohne Schuld
Kapitel
Im fahlen Licht schimmerten die winzigen, stecknadelgroßen Pupillen so bedrohlich, daß Burke auf der Stelle hellwach war. Er sah den erhobenen Arm und er sah das Messer, das auf Arielle gerichtet war. Laut schreiend schlug er nach dem Arm und wälzte sich gleichzeitig über Arielle, um Dorcas zu packen. Im selben Augenblick fühlte er einen kalten Schauer und wußte, daß das Messer ihn getroffen hatte. Nachdem es wieder herausgezogen worden war, breitete sich die seltsame Gefühllosigkeit in seiner Schulter aus, die er von früheren Verwundungen bereits kannte.
Durch Burkes Gewicht und sein Geschrei war Arielle aufgewacht. »Nein, Dorcas! Nicht!« Sie sah nur das bluttriefende Messer über sich, sah, wie die alte Frau den Arm hob und zustach.
Während Burke sich verzweifelt mühte, seine Frau mit seinem Körper zu schützen, sah diese nur das Blut und wußte, daß er verletzt war. Mit aller Kraft befreite sie sich von seiner Last und hob das Kopfkissen hoch, so daß das Messer bis zum Heft hineinfuhr und Arielles Kehle nur knapp verfehlte.
In panischer Angst um Burkes Leben, schrie sie aus Leibeskräften und trat gleichzeitig nach der alten Frau, so daß diese gegen den Nachttisch taumelte. Klirrend entfiel ihr das Messer und rutschte quer über das Parkett davon. Mit wütend gezischten Flüchen und Fäusten ging die alte Frau auf Arielle los, doch diese wehrte sich mit der Wut der Verzweiflung und schlug ihre Angreiferin irgendwann zu Boden. Keuchend blickte Arielle schließlich auf Dorcas nieder.
»Arielle!«
Sie wirbelte herum und sah, wie Burke sich an den Bettpfosten klammerte und eine Hand gegen die verwundete Schulter preßte, von wo das Blut über seine Brust strömte. Blitzartig schlüpfte Arielle in ihr Nachthemd, rannte in den Flur hinaus und schrie so lange nach Alec, Percy und Knight, bis endlich Alec die gegenüberliegende Tür öffnete.
»Was, zum Teufel, ist denn los, Arielle?«
»Rasch! Es geht um Burke!« Sie machte kehrt und rannte zurück ins Schlafzimmer, wo Burke immer noch am Bettpfosten lehnte. Seine Brust und seine Hand waren blutüberströmt und um seine Füße hatte sich bereits eine kleine Lache gebildet.
»O mein Gott! Was ist denn geschehen?«
Arielle fühlte sich plötzlich seltsam ruhig, doch Alec erkannte, daß sie unter Schock stand, und rieb ihre eiskalten Hände. »Dorcas wollte mich töten«, berichtete sie mit völlig gleichförmiger Stimme. »Burke hat mir das Leben gerettet, doch sie hat ihn verwundet. Oh, Knight, da sind Sie ja endlich! Bitte, lassen Sie sofort Dr. Brody holen!«
Sie stieg über die Bewußtlose. »Setz dich hin«, forderte sie Burke auf, bevor sie zum Waschtisch ging und ein Tuch holte, das sie ihm fest auf die Wunde preßte.
»Laß mich das tun!« bat Alec in sanftem Ton. »Ich bin kräftiger als du und kann die Blutung leichter zum Stillstand bringen.« Er mochte ihr nicht sagen, daß sie nicht an der richtigen Stelle drückte.
Als sie mit leerem Augenausdruck zu ihm aufsah, fühlte er tiefes Mitleid. »Es wird alles gut werden, kleine Schwester! Er ist zäh und hält schon einiges aus. Setze dich ein wenig hin, denn Burke wird deine Kraft noch brauchen.«
Gehorsam tat sie es, und Burke umschlang sie mit seinem gesunden Arm, während Nesta, Percy und Lannie ins Zimmer stürzten und nur stumm auf die Szene starrten.
»Was ist geschehen, Arielle?« fragte Nesta.
Langsam wiederholte Arielle noch einmal die ganze Geschichte.
Mit spitzen Fingern hob Percy das blutige Messer auf. »Mein Gott, ist sie verrückt geworden?«
»Ich glaube es«, preßte Burke unter großer Anstrengung heraus. Urplötzlich hatten ihn heftige Schmerzen überfallen, und die Wunde pochte und brannte. Er wußte genau, was folgen würde, und war empört, daß er ausgerechnet in seinem eigenen Haus niedergestochen worden war, wo er doch so viele Jahre in Spanien und Frankreich überlebt hatte.
In diesem Augenblick kehrte Knight zurück. »Ich habe Geordie zu Doktor Brody geschickt. Joshua ist bereits hier, und das ganze Haus ist auf den Beinen.«
Burke kämpfte mit seinem Bewußtsein. Er durfte jetzt keinesfalls schlappmachen, sondern mußte Anweisungen geben. Doch der Schmerz zerrte zunehmend an seinen Nerven. Im selben Augenblick hörte er, wie Arielle mit klarer, fester Stimme ihre Anordnungen gab,
»Joshua soll Dorcas wegbringen. Er kann sie im Nähzimmer am Ende des östlichen Flügels einschließen. Montague und Mrs. Pepperall sollen die Überwachung
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