Liebe ohne Skrupel
diskutiert.
Aber Joanna hatte recht. Die Äbtissin Helen war zwar zweifellos eine intelligente und gelehrte Frau, aber sie war niemals verheiratet gewesen. Sie konnte demnach keine allzu profunden Kenntnisse über die intimen Seiten des Ehelebens haben.
Cläre starrte auf die Spitze ihrer Feder, während sie überlegte, wie sie ihre nächste Frage möglichst taktvoll formulieren könnte. »Hast du jemals irgend eine, hmmm, Wärme für Sir Thomas empfunden?«
Joanna schnaubte. »Nur wenige Frauen finden Leidenschaft im Ehebett, Clare. Und sie sollten sie auch gar nicht erst suchen. Leidenschaft ist eine frivole Sache. Eine Frau heiratet aus anderen, wesentlich wichtigeren Gründen.«
»Ja, das ist mir nur allzu bewußt.« Aber trotzdem hatte sie gehofft, etwas Wärme im Ehebett zu finden, dachte sie wehmütig. Und Gareths Kuß, der immer noch auf ihren Lippen brannte, hatte ihr das Gefühl gegeben, daß sie derartiges vielleicht bei ihm finden würde.
Wie war das möglich? Abgesehen davon, daß er angeblich lesen konnte, schien Gareth nicht gerade ihrem Rezept für einen Ehemann zu entsprechen.
Sie verstand einfach nicht, weshalb sie derart auf seine Berührung reagiert hatte.
»Ich will dir die Wahrheit sagen«, fuhr Joanna fort. »Thomas war dreißig Jahre älter als ich, und er hatte nur sehr wenig Geduld mit seiner jungen Braut. Unsere Hochzeitsnacht war unangenehm, aber erträglich, wie für die meisten Frauen. Man überlebt es und dann ist es geschafft. Danach habe ich mich an die Sache gewöhnt, und dir wird es genauso gehen.«
Cläre stöhnte. »Ich weiß, daß du versuchst, mir Mut zu machen, Joanna, aber das gelingt dir nicht.«
»Es sieht dir nicht ähnlich, dich über deine Pflichten zu beschweren, Clare.«
»Ich beschwere mich nicht ohne Grund. Sir Gareth hat mir buchstäblich befohlen, ihn übermorgen zu heiraten. Und Thurstons Brief gibt ihm das Recht dazu.«
»Was hast du denn erwartet?« Joanna seufzte. »Das ist wohl kaum überraschend.«
»Nein.« Clare erhob sich und ging hinüber zum Fenster. »Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit. Das ist im Augenblick meine Hauptsorge. Ich würde es mich auch durchaus etwas kosten lassen.«
»Meinst du, es würde einen großen Unterschied machen, wenn du mehr Zeit hättest? Sir Nicholas wird täglich zudringlicher. Du hast deine letzten beiden Warensendungen an Räuber verloren. Du hast selbst gesagt, daß Desire einen Herrn braucht, der die Insel beschützen kann.«
»Ja. Aber ich brauche einen Ehemann, den ich für den Rest meines Lebens sowohl im Bett als auch am Tisch ertragen kann.« Clare wurde von einer eigenartigen Panik ergriffen. Für den Rest ihres Lebens.
»Weshalb meinst du, daß es dir unmöglich ist, Sir Gareth zu ertragen?«
»Das ist ja das Problem«, flüsterte Clare. »Ich weiß einfach noch nicht, ob er und ich ein gewisses gegenseitiges Einverständnis erreichen können. Ich kenne den Mann ja kaum. Alles, was ich bisher über ihn weiß, ist, daß er nur eine meiner Forderungen erfüllt. Offenbar kann er lesen.«
»Das ist doch schon mal ein Anfang.«
»Ich brauche einfach mehr Zeit, Joanna.«
»Was soll dir das nützen? Du hast von Anfang an gewußt, daß es höchst wahrscheinlich keine Liebesheirat werden würde. Nur wenige Frauen in deiner Position haben eine solche Möglichkeit.«
»Ja, aber ich hatte gehofft, eine Ehe eingehen zu können, die auf Freundschaft und gemeinsamen Interessen basiert.« Clare kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. »Aber vielleicht ist das zuviel verlangt. Trotzdem, wenn ich etwas mehr Zeit hätte, würde es mir bestimmt gelingen...«
»Was würde dir dann gelingen?« Joanna warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Mir mißfällt dein Gesichtsausdruck, Clare. Du führst mal wieder etwas im Schilde, nicht wahr? Genau so siehst du aus, wenn du dabei bist, das Rezept für ein neues Parfüm zusammenzustellen. Gib dir nur keine Mühe. Ich fürchte, du hast keine Zeit, um irgendwelche cleveren Pläne auszuhecken.«
»Vielleicht, aber ich frage mich, ob ich nicht die Hochzeit noch ein wenig hinauszögern kann, wenn ich Sir Gareth davon überzeuge, daß er selbst etwas mehr Zeit braucht.«
Joanna blickte sie überrascht an. »Zeit für was?«
»Zeit, um herauszufinden, ob er wirklich mit der Rolle des Lord of Desire zufrieden sein wird.« Clare erinnerte sich an Gareths verhaltene Reaktion auf die Rosenseife, die er für sein Bad benutzt hatte. »Ich glaube nicht, daß er sich bereits
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