Liebe ohne Skrupel
Aber es war nicht nur der Geruch nach Schweiß und Schmutz gewesen, der sie angewidert hatte; es war der persönliche, körpereigene Geruch des Mannes selbst. Clare hatte gewußt, daß sie ihn niemals würde ignorieren können.
Sie hob die Fingerspitzen an ihre Lippen und atmete tief ein in dem Versuch, eine Spur von Gareths Geruch zu finden.
»Cläre?- Joanna stand mit gerunzelter Stirn in der Tür. »Ist alles in Ordnung?«
»Was? Oh, ja, alles in Ordnung, Joanna.« Clare schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. »Ich habe nur gerade über etwas nachgedacht.«
»Über Sir Gareth vielleicht?«
»Worüber sonst?« Clare bedeutete Joanna, auf einem Hocker am Fenster Platz zu nehmen. »Wußtest du, daß er Lord Thurstons Sohn ist?«
»Ja. Ich habe es gerade unten in der Halle gehört.« Joanna musterte sie aufmerksam. »Genau genommen ist er Thurstons unehelicher Sohn.«
»Aber trotzdem sein Sohn.« Clare spielte achtlos mit der Feder. »Es gibt bestimmt genug Leute, die der Meinung wären, daß ich mich deshalb geehrt fühlen sollte.«
»Und es gibt bestimmt genug Leute, die sagen würden, daß Lord Thurston großen Wert auf diese Ländereien legt«, erwiderte Joanna trocken. »Offensichtlich will er sichergehen, daß er sich auf seinen neuen Lehnsmann verlassen kann. Und was wäre da geschickter als dich mit einem Mann zu verheiraten, mit dem ihn Blutsbande verbinden?«
»Stimmt.« Clare blickte auf den Brief, der vor ihr auf dem Tisch lag. »Er behauptet, daß er keine Kandidaten außer Sir Nicholas und Sir Gareth finden konnte, die meinen Anforderungen auch nur im mindesten genügen würden.«
»Ach, tatsächlich?«
»Ich persönlich bezweifle jedoch allmählich, daß er sich bei der Suche auch nur die geringste Mühe gegeben hat.«
»Männer neigen dazu, solche Dinge von der praktischen Seite her zu sehen«, murmelte Joanna. »Aber wenigstens läßt er dir die Wahl zwischen zwei Männern.«
»Eine tolle Auswahl, wenn du mich fragst.«
Joanna schnalzte mit der Zunge. »Besser als die Auswahl, die ich hatte.«
Cläre zuckte zusammen. Sie wußte sehr gut, daß Joanna bei der Wahl ihres Ehemannes keinerlei Mitspracherecht gehabt hatte. »Warst du sehr unglücklich in deiner Ehe, Joanna?«
»Lord Thomas war wohl weder besser noch schlechter als die meisten Männer«, sagte Joanna philosophisch. »Zumindest war er niemals grausam mir oder William gegenüber.«
»Das ist wohl immerhin etwas, nehme ich an.«
»Das ist schon eine ganze Menge«, erwiderte Joanna.
»Hast du ihn jemals geliebt?«
Joanna seufzte. »Nein. Ich habe ihn respektiert, wie eine Frau ihren Ehemann respektieren sollte, aber ich konnte ihn nicht lieben.«
Cläre klopfte mit der Feder auf den Tisch. »Die Äbtissin Helen schrieb mir in ihrem letzten Brief, daß ein guter Mann eine Frau dazu bringt, ihn nach der Hochzeit zu lieben.«
»Ich möchte der Äbtissin Helen ja nicht zu nahe treten, Clare, aber was weiß sie wohl von der Ehe?«
»Da hast du wahrscheinlich recht.« Clare ließ den Blick über die Regale wandern, in denen ihre wertvollen Bücher und Abhandlungen standen.
Zwei der Bände hatten ihrer Mutter gehört. Ein paar andere Bücher hatte Clare im Verlauf ihrer unermüdlichen Suche nach Informationen über die Parfümherstellung aufgetrieben. Der Rest stammte von ihrem Vater. Er war von jeder Reise mit neuen Schriftstücken zurückgekehrt, von denen er einige der Klosterbibliothek vermacht hatte. Das letzte, ein Buch, das er selbst geschrieben hatte und das nur sehr schwer zu entziffern war, hatte er ihr kurz vor seinem Tod geschickt.
Einer der großen, schweren Bände, eine Abhandlung über Kräuter, war von der Äbtissin Helen of Ainsley verfaßt worden. Clare hatte eine Kopie davon von einem Kloster im Süden gekauft.
Sie hatte das Buch bis zur letzten Seite genau studiert, und Helens Arbeit hatte sie derart beeindruckt, daß sie es gewagt hatte, der Äbtissin einen Brief zu schreiben. Zu ihrer Überraschung hatte sie sogar eine Antwort erhalten.
Die Brieffreundschaft der beiden Frauen, die vor allem auf ihrem gemeinsamen Interesse an Blumen und Kräutern basierte, bestand nunmehr seit über einem Jahr. Im letzten Herbst war Clare das große Vergnügen und die Ehre eines kurzen Besuchs der Äbtissin auf Desire zuteil geworden.
Helen hatte nicht im Kloster, sondern auf der Burg gewohnt, und sie und Clare hatten lange Gespräche bis tief in die Nacht geführt. Sie hatten stundenlang über alle erdenklichen Themen
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